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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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sorglich mit auf den Weg gegeben hatte.
    Diese Freundin und Sir Walter heirateten
nicht
, was immer ihre Bekannten sich diesbezüglich ausgemalt haben mochten. – Dreizehn Jahre waren seit Lady Elliots Tod nun vergangen, und sie waren unverändert gute Nachbarn und vertraute Freunde; und er blieb Witwer und sie Witwe.
    Daß Lady Russell, von gesetztem Wesen und Alter und ausnehmend gut versorgt, auf eine zweite Ehe verzichtete, bedarf keiner Rechtfertigung gegenüber einer Öffentlichkeit, die noch mehr grundlosen Anstoß nimmt, wenn eine Frau sich wiederverheiratet, als wenn sie es nicht tut; doch daß Sir Walter allein blieb, verlangt nach einer Erklärung. – So sei denn gesagt: Sir Walter, ganz sorgender Vater, rechnete sich diesen Zustand (nach einer oder zwei privaten Enttäuschungen infolge höchst unvernünftiger Vorstöße) als Opfer fürseine lieben Töchter an. Für eine seiner Töchter, die älteste, hätte er tatsächlich alles gegeben, eine Probe, auf die er allerdings nie gestellt wurde. Elizabeth hatte ihre Mutter mit sechzehn so vollständig in Rang und Rechten beerbt, wie dies einer Tochter nur möglich ist; und da sie sehr schön war und ihrem Vater sehr ähnlich, war ihr Einfluß stets groß gewesen, und ihre Allianz war eine äußerst glückliche. Seine beiden anderen Kinder waren von minderem Wert. Mary hatte ein wenig künstliche Bedeutung hinzugewonnen, indem sie Mrs. Charles Musgrove geworden war; aber Anne, die so fein und gescheit war, daß jeder vernunftbegabte Mensch von ihr angetan sein mußte, galt bei Vater und Schwester gar nichts; ihr Wort hatte kein Gewicht, ihre Interessen mußten immer hintanstehen – sie war einfach nur Anne.
    Für Lady Russell indes war sie eine inniggeliebte, hochgeschätzte Patentochter, Vertraute und Freundin. Zwar liebte Lady Russell sie alle drei, aber nur in Anne meinte sie die Mutter wieder lebendig werden zu sehen.
    Noch vor einigen Jahren war Anne Elliot ein sehr hübsches Mädchen gewesen, doch sie war rasch verblüht; und ihr Vater, der selbst in ihrer besten Zeit nicht viel an ihr zu loben gewußt hatte (zu wenig glichen ihre zartgeschnittenen Züge und sanften dunklen Augen den seinen), fand nun, da sie blaß und abgehärmt war, erst recht nichts mehr an ihr. Er hatte nie große Hoffnung gehegt, ihren Namen jemals auf einer anderen Seite seines Lieblingsbuchs zu lesen; jetzt hegte er gar keine mehr. Die ganze Bürde einer angemessenen Partie lag somit auf Elizabeth, denn Mary hatte lediglich in eine hochangesehene alte Gutsbesitzerfamilie mit großem Vermögen eingeheiratet und insofern alle Ehre
erwiesen
und keine empfangen: Elizabeth würde sich, wenn es erst einmal so weit war, standesgemäß vermählen.
    Es gibt Frauen, die mit neunundzwanzig besser aussehen als mit neunzehn; überhaupt, wenn nicht Krankheit oderSorge ihren Tribut fordern, ist dies eine Zeit im Leben, da der Liebreiz noch kaum gelitten hat. So war es bei Elizabeth: noch immer dieselbe bildschöne Miss Elliot, als die sie vor dreizehn Jahren angetreten war; weshalb man es Sir Walter vielleicht nicht verdenken kann, daß er ihr Alter vergaß – oder ihn zumindest nur für einen halben Narren halten muß, wenn ihm Elizabeth und er selbst so blühend wie eh und je erschienen inmitten all dieser anderen, die vor seinen Augen dahinwelkten; denn er sah ja klar und deutlich, wie sehr der Rest seiner Familie und seiner Bekannten alterte. Anne hager, Mary plump, jedes Gesicht in der Nachbarschaft gezeichnet von Verfall; und die immer tiefer einschneidenden Krähenfüße an Lady Russells Schläfen waren ihm schon lange ein Greuel.
    Elizabeths Selbstzufriedenheit reichte nicht ganz an die ihres Vaters heran. Dreizehn Jahre war sie nun Herrin von Kellynch Hall, und die Sicherheit und Entschiedenheit, mit der sie ihres Amtes waltete, ließen keinen Moment lang die Illusion zu, sie könnte jünger sein, als sie war. Dreizehn Jahre machte sie schon die Honneurs, führte das Regiment im Hause Elliot, bestieg als erste den Vierspänner und rauschte gleich hinter Lady Russell aus den Salons und Eßzimmern der Grafschaft. Dreizehn frostige Winter hindurch hatte sie jeden nennenswerten Ball eröffnet, der sich in der spärlichen Nachbarschaft bot, und durch das Blütenspalier von dreizehn Frühlingen war sie mit ihrem Vater nach London gereist, um für einige Wochen die große Welt zu genießen. Sie hatte ihre Erinnerungen an all dies, sie wußte, sie war neunundzwanzig Jahre alt – genug, in

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