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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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zu vermieten stand.– Mr. Shepherd hatte einmal das Wort »annoncieren« in den Mund genommen – aber diese Torheit nicht nochmals begangen; Sir Walter wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen, sein Haus in irgendeiner Weise auf den Markt zu bringen; verbot jede leiseste Andeutung, daß er sich mit einer solchen Absicht trug, und nur unter der Voraussetzung, daß ihn spontan ein ganz und gar untadelhafter Interessent anging, der sämtliche seiner Bedingungen akzeptierte, würde er es, als großen Beweis seiner Gunst, überhaupt vermieten.
    Wie leicht finden wir eine Begründung, das gutzuheißen, was uns genehm ist! – Lady Russell hatte noch einen weiteren hervorragenden Grund dafür, heilfroh zu sein, wenn Sir Walter und seine Familie aus der Gegend fortzogen. Elizabeth war dabei, eine Beziehung anzuknüpfen, die sie gern beendet sehen wollte. Sie hatte sich mit einer Tochter von Mr. Shepherd angefreundet, die nach einer unglücklichen Ehe in ihr Elternhaus zurückgekehrt war, obendrein noch mit zwei Kindern behaftet. Diese Tochter war eine geschickte junge Frau und verstand es, Gefallen zu erregen, Gefallen zumindest in Kellynch Hall: so angenehm hatte sie sich Miss Elliot bereits gemacht, daß sie schon mehr als einmal dort zu Gast gewesen war, allen Andeutungen zum Trotz, mit denen Lady Russell, die solche Vertrautheit für äußerst verfehlt hielt, zu Vorsicht und Zurückhaltung mahnte.
    Überhaupt hatte Lady Russell herzlich wenig Einfluß auf Elizabeth, und wenn sie sie liebhatte, dann deshalb, weil sie sie ganz einfach liebhaben wollte, nicht etwa, weil Elizabethes verdiente. Sie hatte von ihr nie mehr als oberflächliche Aufmerksamkeit empfangen, nichts, was über das Gebot der Höflichkeit hinausging; hatte sie in keinem Punkt jemals umzustimmen vermocht, in dem ihre Meinung bereits feststand. Wie oft hatte sie nicht schon darauf gedrungen, daß Anne mitgenommen würde nach London – denn die Ungerechtigkeit und Verwerflichkeit der eigennützigen Regelung, die Anne von der Reise ausschloß, war ihr aufs schärfste bewußt. Und auch bei geringeren Anlässen hatte sie immer wieder versucht, Elizabeth ihr klareres Urteil und ihre Erfahrung zugute kommen zu lassen – aber vergebens; Elizabeth ging ihren eigenen Weg – und nie hatte sie ihn in erklärterem Widerstand zu Lady Russell beschritten als in diesem Festhalten an Mrs. Clay, dieser beharrlichen Zurücksetzung einer so schätzenswerten Schwester, nur um ihre Zuneigung und ihr Vertrauen einer Person zu schenken, der sie nicht mehr hätte entgegenbringen dürfen als distanzierte Höflichkeit.
    Von ihrer gesellschaftlichen Stellung her, so Lady Russells Überzeugung, war Mrs. Clay ein höchst unebenbürtiger und vom Wesen her ein höchst gefährlicher Umgang – und ein Ortswechsel, der die Dame aus Miss Elliots Dunstkreis entfernte und eine Auswahl passenderer Gefährtinnen in ihre Reichweite rückte, war demnach eine Angelegenheit von allerhöchster Priorität.

KAPITEL III
    »Wenn ich mir die Bemerkung herausnehmen darf, Sir Walter«, sagte Mr. Shepherd eines Vormittags in Kellynch Hall, indem er die Zeitung beiseite legte, »der Zeitpunkt könnte günstiger nicht sein. Dieser Friede bringt alle unsere reichen Marineoffiziere an Land. Sie werden sich allesamt niederlassen wollen. Eine bessere Zeit können Sie kaum finden, Sir Walter, um eine Auswahl an Mietern zu haben, grundsoliden Mietern. Nicht wenige haben im Krieg ein stattliches Vermögen gemacht. Wenn es einen reichen Admiral hierher verschlüge, Sir Walter –«
    »Dann könnte er sich beglückwünschen, Shepherd«, erwiderte Sir Walter, »mehr ist dazu nicht zu sagen. Kellynch Hall wäre eine stolze Prise für ihn, wohl seine stolzeste überhaupt, egal, wie viele er aufgebracht hat, was, Shepherd?«
    Mr. Shepherd, der wußte, was sich für ihn gehörte, lachte über so viel Witz und fügte dann hinzu:
    »Mit Verlaub, Sir Walter, mit den Herren von der Marine verhandelt es sich äußerst angenehm. Ich habe schon einige zu Geschäftspartnern gehabt, und ich stehe nicht an zu behaupten, daß sie sehr großzügige Ansichten haben und im Zweifelsfall so erstrebenswerte Mieter abgeben wie nur irgendwelche anderen Herrschaften, mit denen Sie es zu tun bekommen könnten. Was ich deshalb vorschlagen möchte, wenn Sie gestatten, Sir Walter: sollte doch etwas von Ihrer Absicht verlauten – und ganz ausschließen läßt sich das nicht, wir alle wissen ja, wie schwer es ist, die Handlungen und

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