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Ansichten Eines Clowns

Ansichten Eines Clowns

Titel: Ansichten Eines Clowns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Boll , Heinrich Böll
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Kosterts Kritik nicht gelesen hatte, und mir fiel ein, daß sie ja gar nicht wissen konnte, was zwischen Marie und mir geschehen war. Sie kannte ja keinen aus dem Kreis.
    »Sabine«, sagte ich, »Marie ist von mir weg - und hat einen gewissen Züpfner geheiratet.«
    »Mein Gott«, rief sie, »das ist doch nicht wahr.«

    »Es ist wahr«, sagte ich.

    Sie schwieg, und ich hörte, wie gegen die Tür der Telefonzelle gebumst wurde.
    bruder mitteilen wollte, wie er das Herz Solo ohne drei hätte gewinnen können.

    »Du hättest sie heiraten sollen«, sagte Sabine leise, »ich meine - ach, du weißt, was ich meine.«
    »Ich weiß«, sagte ich, »ich wollte ja, aber dann kam heraus, daß man diesen verfluchten Schein vom Standesamt haben muß, und daß ich unterschreiben, verstehst du, unterschreiben mußte, die Kinder katholisch erziehen zu lassen.«
    »Aber es ist doch nicht daran gescheitert?« fragte sie. Das Bumsen an der Tür der Telefonzelle wurde stärker.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich, »der Anlaß war's schon - aber es kommt wohl vieles hinzu, was ich nicht verstehe. Häng jetzt ein, Sabinchen, sonst bringt dich dieser erregte deutsche Mensch an der Tür noch um. Es wimmelt von Unholden in diesem Land.« - »Du mußt mir versprechen, zu kommen«, sagte sie, »und denk daran: dein Süppchen steht den ganzen Tag auf dem Feuer.« Ich hörte, daß ihre Stimme schwach wurde, sie flüsterte noch: »Wie gemein, wie gemein«, aber sie hatte offenbar in ihrer Verwirrung nicht den Hörer .auf die Gabel gelegt, nur auf das Tischchen, auf dem immer das Telefonbuch liegt. Ich hörte den Kerl sagen: »Na, endlich«, aber Sabine schien schon weg zu sein. Ich schrie ins Telefon laut: »Hilfe, Hilfe«, mit einer schrillen, hohen Stimme, der Kerl fiel drauf rein, nahm den Hörer auf und sagte: »Kann ich etwas für Sie tun?« Seine Stimme klang seriös, gefaßt, sehr männlich, und ich konnte riechen, daß er irgendetwas Saures gegessen hatte, eingelegte Heringe oder etwas ähnliches. »Hallo, hallo«, sagte er, und ich sagte: »Sind Sie Deutscher, ich spreche grundsätzlich nur mit deutschen Menschen.«
    »Das ist ein guter Grundsatz«, sagte er, »wo fehlt's denn bei Ihnen?«

    »Ich mache mir Sorgen um die CDU«, sagte ich, »wählen Sie auch fleißig CDU?«
    »Aber das ist doch selbstverständlich«, sagte er beleidigt, und ich sagte: »Dann bin ich beruhigt«, und legte auf.

21

    Ich hätte den Kerl richtig beleidigen, ihn fragen sollen, ob er seine eigene Frau schon vergewaltigt, den Grand mit zweien gewonnen und im Amt mit seinen Kollegen den obligatorischen zweistündigen Plausch über den Krieg schon hinter sich habe. Er hatte die Stimme eines richtigen Eheherrn und aufrechten deutschen Menschen gehabt, und sein »Na, endlich« hatte geklungen wie »Legt an«. Sabine Emonds' Stimme hatte mich etwas getröstet, sie hatte ein bißchen gereizt geklungen, auch gehetzt, aber ich wußte, daß sie Maries Handlungsweise wirklich gemein fand und das Töpfchen Suppe bei ihr immer für mich auf dem Herd stand. Sie war eine sehr gute Köchin, und wenn sie nicht schwanger war und dauernd die »Ach-ihr-Männer-Blicke« um sich warf, war sie sehr munter und auf eine viel nettere Art katholisch als Karl, der über das »Sextum« seine merkwürdigen Seminaristenvorstellungen behalten hatte. Sabines vorwurfsvolle Blicke galten wirklich dem ganzen Geschlecht, sie nahmen nur, wenn sie Karl, den Urheber ihres Zustandes, anblickte, eine besonders dunkle Färbung an, fast gewitterhaft. Ich hatte meistens versucht, Sabine abzulenken, ich führte eine meiner Nummern vor, dann mußte sie lachen, lange und herzlich, bis sie anfing, Tränen zu lachen, dann blieb sie meistens in den Tränen hängen, und es war kein Lachen mehr drin ... Und Marie mußte sie hinausbringen und sie trösten, während Karl mit finsterer, schuldbewußter Miene bei mir saß und schließlich vor Verzweiflung anfing, Hefte zu korrigieren. Manchmal half ich ihm dabei, indem ich die Fehler mit einem roten Tintenkuli anstrich, aber er traute mir nie, sah alles noch einmal durch und war jedesmal wütend, weil ich nichts übersehen und die Fehler ganz korrekt angestrichen hatte. Er konnte sich gar nicht vorstellen, daß ich eine solche Arbeit selbstverständlich fair und in seinem Sinn erledigen würde.
    Karls Problem ist nur ein Geldproblem. Wenn Karl Emonds
    eine Siebenzimmerwohnung hätte, wäre die Gereiztheit, das Gehetztsein nicht mehr unumgänglich. Ich hatte mich mit

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