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Ansichten Eines Clowns

Ansichten Eines Clowns

Titel: Ansichten Eines Clowns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Boll , Heinrich Böll
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Karl an seinem Existenzminimum herum; er hatte drei Kinder, als ich den Krach mit ihm bekam, das vierte war damals unterwegs, aber ich hatte nicht den Mut, Sabine zu fragen, ob es inzwischen angekommen war. Immer herrschte in ihrer Wohnung diese schon nicht mehr gedämpfte Gereiztheit, überall lagen seine verfluchten Notizbücher herum, in denen er Berechnungen anstellt, wie er mit seinem Gehalt zurechtkommen könnte, und wenn ich allein mit ihm war, wurde Karl immer auf eine scheußliche Weise »offen« und fing seine Unter-Männern- Gespräche an, übers Kinderkriegen, und immer fing er an, der katholischen Kirche Vorwürfe zu machen (ausgerechnet mir gegenüber!), und es kam immer ein Punkt, wo er mich wie ein heulender Hund ansah, und meistens kam gerade dann Sabine
    herein, schaute ihn verbittert an, weil sie wieder schwanger war. Für mich gibt es kaum
    etwas Peinlicheres, als wenn eine Frau ihren Mann verbittert anschaut, weil sie schwanger ist. Schließlich hockten sie beide da und heulten, weil sie sich doch wirklich gern haben. Im Hintergrund der Kinderlärm, Nachttöpfe wurden mit Wonne umgeschmissen, klatschnasse Waschlappen gegen nagelneue Tapeten geworfen, während Karl immer von »Disziplin, Disziplin« und von »absolutem, unbedingtem Gehorsam« spricht, und es blieb mir nichts anderes übrig, als ins Kinderzimmer zu gehen und den Kindern ein paar Faxen vorzumachen, um sie zu beruhigen, aber es beruhigte sie nie, sie kreischten vor Vergnügen, wollten mir alles nachmachen, und zu guter Letzt hockten wir da, hatten jeder ein Kind auf dem Schoß, die Kinder durften an unseren Weingläsern nippen. Karl und Sabine fingen an, von den Büchern und Kalendern zu sprechen, in denen man nachsehen kann, wann eine Frau kein Kind kriegen kann. Und dann bekommen sie dauernd Kinder, und es fiel ihnen nicht ein, daß diese Erzählungen Marie und mich besonders quälen mußten, weil wir ja keine Kinder bekamen. Wenn Karl dann betrunken war, fing er an, Flüche nach Rom zu schicken, unselige Wünsche auf Kardinalshäupter und Papstgemüter zu häufen, und das Groteske war, daß ich anfing, den Papst zu verteidigen. Marie wußte noch viel besser Bescheid und klärte Karl und Sabine darüber auf, daß die in Rom in dieser Frage ja gar nicht anders können. Zuletzt wurden sie beide listig und blickten sich an, als wollten sie sagen: Ach, ihr - ihr müßt doch etwas ganz Raffiniertes anstellen, daß ihr keine Kinder kriegt, und es endete meistens damit, daß eins der übermüdeten Kinder Marie, mir, Karl oder Sabine das Weinglas aus der Hand riß und den Wein über die Klassenarbeitshefte ausgoß, die Karl immer stapelweise auf dem Schreibtisch liegen hat. Das war natürlich peinlich für Karl, der seinen Schülern dauernd von Disziplin und Ordnung vorpredigt, ihnen dann ihre Klassenarbeitshefte mit Weinflecken zurückgeben muß. Es gab Prügel, Weinen, und indem sie uns einen
    »Ach-ihr-Männer-Blick« zuwarf, ging Sabine mit Marie in die Küche, um Kaffee
    zu kochen, und sicher hatten sie dann ihr Unter-Frauen-Gespräch, etwas, das Marie so peinlich ist wie mir das Unter-Männern-Gespräch. Wenn ich dann mit Karl allein war, fing er wieder von Geld an, in vorwurfsvollem Ton, als wenn er sagen wollte: Ich rede mit dir darüber, weil du ein netter Kerl bist, aber verstehen tust du nichts davon.

    Ich seufzte und sagte: »Sabine, ich bin vollkommen ruiniert, beruflich, seelisch, körperlich, finanziell... ich bin...«
    »Wenn du wirklich Hunger hast«, sagte sie, »dann weißt du doch hoffentlich, wo immer ein Töpfchen Suppe für dich auf dem Herd steht.« Ich schwieg, ich war gerührt, es klang so ehrlich und trocken. »Hörst du?« sagte sie.
    »Ich höre«, sagte ich, »und ich werde spätestens morgen mittag kommen und mein Töpfchen Suppe essen. Und wenn ihr noch einmal jemand braucht, der auf die Kinder aufpassen muß, ich - ich«, ich stockte. Ich konnte ja schlecht, was ich immer umsonst für sie getan hatte, jetzt für Geld anbieten, und die idiotische Geschichte mit dem Ei, das ich Gregor gegeben hatte, fiel mir ein. Sabine lachte und sagte: »Na, sag's doch.« Ich sagte: »Ich meine, wenn ihr mich bei Bekannten empfehlen könntet, ich habe ja Telefon - und ich mach's so billig wie jeder andere.«
    Sie schwieg, und ich konnte gut merken, daß sie erschüttert war. »Du«, sagte sie,

    »ich kann nicht mehr lange sprechen, aber sag mir doch - was ist denn passiert?« Offenbar war sie die einzige in Bonn, die

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