Ansichten eines Klaus - Roman
Jahren nicht mehr.«
»Ich hab gestern.« Sie streckt mir die Zunge raus.
Noch eine Information, die ich nicht brauche. Dann höre ich doch lieber die spannende Geschichte von Alexanders und Ilkas vierter Trennung. »Erzähl weiter«, sage ich.
»Ilka wollte, also, sie hat ne Freundin um Rat gefragt ...«
»Hoffentlich nicht dich.«
Das ignoriert sie.
»Und die hat die üblichen Ratschläge gegeben: ›Mach dich rar, mach dich interessant, bring neuen Pep in dein Sexleben ...‹ Und Ilka hat das alles gemacht.War weniger zu Hause. Hat sich allein mit Freundinnen getroffen, und dann ging’s um den neuen Pep. Nachdem die ersten Sachen schiefgegangen sind – sie hat sich als Krankenschwester verkleidet und als Nutte ...«
Gott, was für ein Klischee, denke ich und mir fallen innerlich die Augen zu.
»Vielleicht hätte sie es als Lehrerin versuchen sollen, mit Rohrstock.«
»Sie ist doch Lehrerin.«
»Na eben. Oder vielleicht als Schulleiterin. Oder Bildungsministerin.«
»Ilka hat gesagt, Alexander hat gesagt, er findet verkleiden blöd.«
»Wieso? In der Schule war er in der Theater-AG.«
»Was hat das damit zu tun?« Sie schaut mich an, als hätte ich etwas Dummes gesagt. »Na, jedenfalls, ging das schief, und dann haben sie erst mal geredet.«
Ja. Reden hilft immer.
»Und so kamen sie auf die Dreiersache.«
»Wer kam auf die Idee? Kam er auf die Idee?« Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ebenso wenig kann ich mir vorstellen, dass Petra immer noch nicht merkt, dass ich das ironisch meine.
»Beide. Also eher sie. Glaube ich.«
»Klingt nicht nach Ilka«, sage ich, obwohl ich sie so gut nun auch nicht kenne. »Klingt mehr nach Alexander.«
»Er hatte es in ihrem Gespräch wohl erwähnt, hat Ilka gesagt. Aber nur im Scherz. ›Warum machen wir nicht gleich nen Dreier?‹ Oder so.«
Versuchsballon, schwebt es mir durch den Kopf. Hui. Versuchsballon.
»Aber er hat dann auch sofort zurückgezogen. Nee, nee, er hat dann sofort gesagt, ›hier Scherz und so‹. Nicht ernst gemeint. Aber Ilka fand die Idee zumindest interessant. Und je mehr er gesagt hat: ›Nee, lass mal, war nicht so gemeint‹, umso mehr hat sie das machen wollen. Und dann hat er nachgegeben. Sie meinte: ›zum Wohle der Beziehung‹. Sie haben sich geeinigt.«
»Er hat sie manipuliert«, unterbreche ich Petra.
»Ach.«
»Doch.«
»Meinst du?«
»Das ist klassisch.«
»Nein.«
»Wie aus dem Handbuch.«
»Jetzt hör doch mal auf.«
»Dann erzähl weiter.«
» Du hast mich unterbrochen mit dem Manipulationsunsinn.«
»Das ist kein Unsinn. Und mich wundert, dass du das nicht gemerkt hast.«
»Was soll denn das schon wieder heißen?«
»Ich mein ja bloß, weil Frauen doch sonst so gut manipulieren können.«
»Okay«, sie hebt abwehrend die Hände, »dann erzähl ich eben nicht weiter.« Sie greift mit beiden Händen nach der Tasse und trinkt. Dann setzt sie die Tasse wieder ab. Nimmt sie wieder hoch und trinkt. Und setzt sie wieder ab.
»So!«, sagt sie.
Das hast du jetzt davon, ergänze ich im Kopf. Und dass ich mich entschuldigen soll. Nicht ernsthaft. Aber wenigstens pro forma. Das will sie nicht auf sich sitzen lassen. Sie will nicht manipulativ sein. Dann erzählt sie eben nicht weiter. Wie und weshalb sich Ilka und Alexander getrennt haben. Obwohl sie extra dafür hergekommen ist und vorher extra angerufen hat. Es ist ja nicht so, dass ich etwas von ihr will. Sie will was von mir. Dass ich zuhöre. Dabei interessiert mich das alles so gar nicht, wieso sich Alexander und Ilka getrennt haben. Mir ist es egal, ob sie mir das erzählt. Außerdem erfahre ich das in zwei Wochen sowieso über drei Ecken oder doch von ihr oder aus der Zeitung oder von meinem Zahnarzt. Oder aus der Zeitung bei meinem Zahnarzt. Mich haben schon die Trennungen eins bis drei nicht interessiert.
Sie nippt wieder an ihrer Tasse, ich schaue durch die halboffene Tür in den Korridor und überlege: Soll ich mir einen Kaffee machen oder ein Bier aus dem Kühlschrank nehmen? Oder soll ich eins von beiden unten trinken. Kann ja nicht mehr so lange dauern, Petra erzählt mir schnell die Ilka-und-Alexander-Trennungsgeschichtezu Ende, und ich kann weg. Andererseits, wenn es sich doch noch hinzieht, vielleicht den Kaffee jetzt schon? Aber das sieht dann so aus, als würde ich mich auf einen langen Abend einstellen, und sie hat noch mehr Zeit, mir alles zu erzählen.
Nee, kein Bier, kein Kaffee.
Ich überlege, warum Schrödinger die Katze so
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