0908 - Das Golem-Trio
»Unbefriedigend«, sagte Harry Stahl.
»Stimmt.« Ich nickte. »Der Fall war unbefriedigend. Zumindest die Lösung.«
»Was willst du ändern?« fragte Harry.
»Nichts.«
Der Deutsche lächelte. »Irgendwie befriedigt es mich trotzdem, daß gerade du mir diese Antwort gegeben hast.«
Ich schaute hoch. »Warum?«
»Das will ich dir sagen. Wir kennen uns noch nicht sehr lange, doch ich habe immer den Eindruck gehabt, einen Sieger vor mir zu sehen, wenn wir uns gegenübersaßen. Wir kamen aus zwei verschiedenen Welten, du aus dem freien Westen, ich aus dem Osten. Das Schicksal sorgte dafür, daß sich unsere Wege kreuzten und wir dann gemeinsam die ersten Fälle lösten. Ich kam dadurch in Kontakt mit einer ganz anderen Welt. Es war neu für mich, ich mußte mich erst dort hineinfinden und hatte Mühe, all das Neue zu verdauen. Du warst mir dabei meilenweit voraus, John. Ich hatte gehofft, so zu werden, beruflich, meine ich, wie du, dann kam der Einschnitt, mein tiefer Fall, von dem ich mich inzwischen erholt habe. Ich will nicht behaupten, daß ich hoch oben auf der Welle surfe, aber ich habe eine Chance bekommen und möchte sie nutzen. Vielleicht werde ich ja doch noch erfolgreich, obwohl«, er hob die Schultern und hob die Tasse an, um den Kaffee zu trinken, »ich inzwischen feststellen mußte, daß du nicht immer siegst. Wir haben uns beide die Unbefriedigkeit zugestanden, und mir hat es gutgetan. Ich dachte immer, in deinem Schatten zu stehen. Du warst derjenige, der die Fälle löste, du hast dich nicht unterkriegen lassen. Das läßt du dich auch jetzt nicht, aber ein Sprichwort sagt, daß nicht alles Gold ist, was glänzt.«
»Richtig, das kannst du laut sagen.« Ich lächelte. »Himmel, Harry, was hast du dir dabei nur gedacht? Ich bin ein Mensch wie jeder andere. Okay, ich mache diesen Job schon einige Jahre und habe dazugelernt. Wie meine Feinde. Sie haben sich umgestellt, das weiß ich. Nicht jeder Fall wird gelöst. In der letzten Zeit ist es sogar schlimmer geworden. Ich stehe manchmal da, schaue auf meine Hände, die im übertragenen Sinne leer sind, schüttle den Kopf und frage mich, warum ich das alles tue. Hat es einen Sinn, wo doch die andere Seite auf Dauer stärker ist.«
»So sehe ich das auch, John«, sagte Harry, während er nervös mit einem Zuckerwürfel spielte.
»Aber«, sagte ich, »bevor wir beide jetzt in Trauer oder Depressionen verfallen, müssen wir auch daran denken, daß wir eine Verantwortung haben. Das ist genau der Punkt, der mich immer wieder über die Schwelle hebt. Wir haben eine Verantwortung denjenigen gegenüber, die weniger Einblick haben als wir. Das sollte uns Mut machen. Und das gibt uns auch die Kraft, Niederlagen zu überwinden. Ks ist eben der Blick nach vorn. Um auf den letzten Fall zurückzukommen. Die Bäume haben geblutet, es gab die Strige, sie ist zerstört. Ich weiß nicht, woher sie kam, wie lange sie dort schon versteckt gelebt hat. Sie muß die anderen Vögel magisch beeinflußt haben. Die Lichtung ist zu einem Friedhof der Vögel geworden. Das Wurzelwerk der Bäume saugten etwas auf, das durch die toten Vögel im Boden zurückblieb. Die Folge waren die blutenden Bäume, und Menschen sind durch dieses Blut geheilt worden, sagt man. Die Wissenschaft steht vor einem Rätsel. Auch wir haben das Rätsel nicht lösen können. Deshalb sollten wir es dabei belassen. Wenn du damit beginnst, Harry, dir Vorwürfe zu machen, lohnt sich der Einsatz nicht mehr. Dann gerätst du in eine Tretmühle, die dich verschlingen kann. Deshalb rate ich dir, es so hinzunehmen, wie es kommt. Wir sind nicht allmächtig, wir werden es auch niemals sein, wir müssen uns einfach damit abfinden. Bohre nicht weiter; laß es und betrachte den Fall als abgeschlossen.«
Harry Stahl lächelte. »Das ist deine ehrliche Meinung?«
»Ja.«
»Hm…«
»Warum grübelst du weiter?«
»Weil ich noch nicht soweit bin wie du!«
Ich runzelte die Stirn. »Das verstehe ich jetzt nicht.«
»Dann will ich es dir erklären. Du bist lange genug im Job, um diese Niederlagen einstecken zu können. Dein Background ist auch anders als der meinige. Wenn du nach London kommst und einen Bericht schreibst, dann nickt man nur. Man nimmt es hin. Bei mir ist es anders. Ich bin neu im Geschäft. Meine Vorgesetzten werden anders reagieren, wenn ich ihnen mit Niederlagen komme. Sie werden sich…«
»Sie werden gar nichts«, unterbrach ich Harry und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Sie werden froh
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