Ansichten eines Klaus - Roman
Lastwagenwerkstatt. Viele große Autos jedenfalls.
Petra kommt wieder rein. »Ja«, sagt sie ins Telefon. »Ja, ich helfe dir dabei. Aber nicht gleich. Heute Abend.« Sie sieht zu mir, fragend. Dann fragt sie, weil ich nicht reagiere, weil ich nach all den Jahren noch nicht gelernt habe, aus einem fragenden Blick eine ganze Frage zu extrapolieren. »Heute Abend, ist das okay?«
Ich bin zwar nicht viel schlauer, was die Frage betrifft, was heute Abend okay sein könnte, aber ich nicke einfach mal.
»Heute Abend«, sagt sie zu Ilka. »Willst du herkommen? ... Ich denke, Alexander ... Dann komm doch her und lass ihn allein seinen Kram packen ... Na, wenn er doch eh weg ist ... Ja, ich komme zu dir. Um sechs? Um sieben ... Gut. Bis dann.« Sie legt auf.
»Ich bin heute Abend bei Ilka.«
»Schon mitbekommen.«
»Alexander packt gerade seine Sachen und ist heute Abend raus.«
Da hat er ja nicht viele Sachen. Oder er hat seinen Ich-werde-rausgeworfen-Notfall-Koffer schon in der Ecke stehen. »Ja, ich weiß«, sage ich.
»Ich soll ihr da bei irgendwas helfen, mit dem Antrag.«
»Soso.«
»Sie hat mir auch eben noch gesagt, weshalb sie ihn rausgeschmissen hat.«
»Sie hat ihn rausgeschmissen?«
»Na ja, getrennt haben sie sich. Aber er zieht ja aus.«
»Ja.«
»Wegen der Sache mit Karola.«
Ich nicke.
»Er hängt wohl seitdem ein bisschen emotional in den Seilen. Und er spricht im Schlaf«, sagt Petra.
»Ja, ich hörte davon.«
»Von wem?«
»Von dir. Vorhin.«
»Er sagt Karolas Namen im Schlaf, und tagsüber ist er schlecht gelaunt. Als Ilka ihn darauf angesprochen hat, meinte er, ja, da sei noch was, aber das würde schon vorbeigehen mit der Zeit. Und das zieht sie natürlich auch runter.«
Ich nicke.
»Aber sie sagt, bei den anderen Geschichten konnte sie sich zumindest einreden, es sei vorbei. Vorbei ist vorbei – aber das jetzt? Wenn er trotzdem dauernd an Karola denkt ... Da kommt sie nicht gegen an. Das will sie nicht mehr mitmachen.«
Ich nicke noch mal.
»Und was machen wir heute?«, frage ich.
»Spazierengehen«, sagt Petra, »wir könnten ...«Da klingelt das Telefon, sie nimmt ab, sagt: »Ja?«, und geht raus.
Da werd ich mir mal noch einen Kaffee machen.
JETZT
Und so endet nach all den Widrigkeiten auch diese Geschichte mit einem Happy End. Petra hat ihren Gregor, Ilka hat einen Simon oder Sebastian – sagt Petra. Die Katze ist zu Hause. Armin, Sarah und ein junger Glatzkopf sitzen am Stammtisch wie immer mit einem leckeren Bier vor sich, Rolf und Corinna werden in zwei Monaten heiraten, Manuela hat ihre Ausstellung und ist glücklich.
Nein, ganz so glücklich ist sie nicht. Ein Bild hängt noch schief, und eine sehr kurzhaarige, blonde Freundin mit einer großen, dunkelgeränderten Brille hat sich auf einen Stuhl gestellt und versucht, einen fast unsichtbaren Draht mit einem winzigen Haken an der Rückseite des Bildes so zu befestigen, dass das Bild wieder geradehängt. Die Ausstellung hat meiner kleinen Eckkneipe ein Bild-Hänge-System vom Feinsten beschert, wie es das sonst nur in den ausgesuchtesten Galerien der Stadt gibt. »Keine Nägel in die Wände«, hatte ich gesagt, also haben sie geschraubt, nun habe ich ein Schienensystem unter der Decke mit Nylonfäden dran – gesponsert von einem wohlhabenden, nicht genannt werden wollenden, edlen Spender mit mutmaßlich schlechtem Gewissen.Vielleicht will er sich auch nur ein paar Optionen offenhalten.
Die blonde Frau flucht, der Stuhl wackelt, jemand hält sie fest. Zwei von Manuelas Freundinnen haben sich in der Küche eingeschlossen und bereiten Häppchen vor: veganes mediterranes Fairtrade-Bio-Fingerfood. In einer Stunde ist Vernissage und meine Stammgäste kucken dumm.
»Ne Ausstellung«, hat Armin erstaunt gesagt, als er vorhin reinkam, was mich wiederum sehr erstaunt hat, denn Manuela spricht seit Wochen von nichts anderem.
»Ja«, sagte ich, »mit Bildern.«
Armin nickte. Nun sitzt er am Tisch und wartet, ob die Blonde nun doch noch vom Stuhl fällt und ob das weite Fledermausoberteil dann etwas von ihrer Oberweite preisgeben wird und wie viel.
Eine andere junge Frau kommt auf mich zu und fragt mich etwas. Sie hat sich die Haare schwarz gefärbt, so ein Schwarz gibt es in der Natur nicht als Haarfarbe, nicht mal, wenn man Mireille Mathieu mit Winnetou kreuzt. Sie nuschelt, so verstehe ich akustisch nur wenig, vom Inhalt gar nichts, also zucke ich mit den Schultern und schicke sie zu Rolf, damit er sich darum kümmert.
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