Antrag nach Mitternacht
gekümmert hätte.
Er setzte sich neben sie und griff nach den Zügeln, dann ging die Fahrt auch schon los. In Francesca erwachte eine ungewohnte freudige Erregung. Auch wenn sie daran gewöhnt war, von vielen Gentlemen bewundert zu werden, und sie nichts gegen einen kleinen Flirt einzuwenden hatte, nahm sie doch so gut wie nie eine Einladung zu einer Kutschfahrt durch den Park an. Sie hatte es sich zum Prinzip gemacht, nichts zuzulassen, was auch nur als winziger erster Schritt hin zu einem Werben um sie gedeutet werden konnte.
Es hatte etwas Berauschendes an sich, so weit oben zu sitzen, und dem Ganzen hing auch ein Hauch von Gefahr an, ohne dass sie sich dabei fürchten musste. Niemand konnte besser mit einem Gespann umgehen als Rochford.
Während sie durch die Straßen der Stadt fuhren, unterhielten sie sich nur wenig, da der dichte Verkehr von Rochford verlangte, sich ganz auf seine Pferde zu konzentrieren. Francesca störte das nicht. Ganz im Gegenteil, denn so hatte sie Zeit, um Ordnung in die Gefühle zu bringen, die in diesem Moment auf sie einstürmten.
Sie und Rochford waren oft durch den Hyde Park gefahren, als sie noch miteinander verlobt waren. Sie hatte sich für ihre erste Saison nach London begeben, und er fehlte ihr dort ganz schrecklich, weil sie ihn auf dem Land fast jeden Tag hatte sehen können. Dort waren sie gemeinsam ausgeritten oder in den Gärten von Redfields und Dancy Park spazieren gegangen. Wenn er sie in Redfields besuchte, hatte niemand unentwegt ein Auge auf sie gehabt, und es war kein Problem gewesen, sich zu unterhalten, Blicke auszutauschen oder gar einmal ihre Hand zu berühren.
In London war das nicht mehr möglich. Hier waren sie unentwegt von Leuten umgeben. In Francescas Salon hielten sich immer irgendwelche Besucher auf, und auf den Festen waren sie auch ständig unter Beobachtung, zumal dort etliche Männer auf ihre Gelegenheit lauerten, mit ihr zu tanzen oder sie zu einem Opernbesuch einzuladen. Sie hatte sich allein gelassen gefühlt und sich das nächste Mal herbeigesehnt, wenn der Duke sie in seiner Kutsche mitnahm.
Natürlich musste sie aufpassen, wie oft und wie lange sie ausfuhren. Wenn sie zu oft mit Rochford gesehen wurde, würde das prompt Gerüchte nach sich ziehen, was das Verhältnis zwischen ihnen anging. Dennoch hatte sich Francesca während dieser Saison nur dann richtig glücklich gefühlt, wenn sie mit dem Duke hatte ausfahren können.
Die Erinnerungen an diese lange zurückliegende Zeit wurden wach und raubten ihr fast den Atem. Es war die gleiche Jahreszeit, es hing die gleiche Stimmung in der Luft, die Sonne schien ihnen wieder auf den Rücken. Unwillkürlich musste Francesca daran zurückdenken, wie sie sich damals gefühlt hatte, welche Freude sie empfunden und wie es ihr den Atem verschlagen hatte, weil sie einfach nur neben Rochford sitzen durfte.
Jetzt war er ihr wieder so nah wie damals. Sie musste nur die Hand ausstrecken, dann konnte sie ihn berühren. Vor fünfzehn Jahren hatte sie sich danach gesehnt, genau das zu tun, und gleichzeitig war sie voller Sorge gewesen, er könnte sie für ihre Kühnheit tadeln. Und dann war da auch noch die Angst gewesen, von irgendjemandem beobachtet zu werden.
Der Fahrtwind strich ihr über die Wange und zog an einer Strähne, die unter ihrem Hut hervorlugte. Alles um sie herum erschien ihr strahlender, die Blätter glänzten intensiver, während die Schatten unter den Bäumen dunkler und verlockender waren. Der schwache Duft, den das Eau de Cologne des Dukes verbreitete, stieg ihr in die Nase, und sie war sich seiner Nähe nur zu deutlich bewusst. Sie musste an den Kuss vom Vorabend denken, an die Art, wie er seinen Körper gegen ihren gedrückt, an seine starken Arme, die er um sie gelegt hatte. An seine Lippen, die sich auf ihren, die vor Verlangen glühten, so samten und verlockend anfühlten.
Francesca musste schlucken und wandte ihr Gesicht ab, während sie hoffte, dass die Röte schnell wieder aus ihren Wangen wich, bevor er sie ansah. Wie konnte sie nur so über den Kuss denken, dass sich ihre Muskeln verkrampften und in ihrer Magengegend ein Feuer zu lodern begann?
Sie wünschte, sie könnte die Wirkung leugnen, die sein Kuss auf sie hatte, aber sie wusste, dazu war sie nicht in der Lage. Selbst als sie neulich nachts davon geträumt hatte, wie er sie küsste, war ihr heiß geworden, und sie war förmlich dahingeschmolzen, während ihr Mund sich wie aus eigenem Antrieb geöffnet hatte, um
Weitere Kostenlose Bücher