Anziehungskraft: Stil kennt keine Größe (German Edition)
eine tiefe Freundschaft zwischen diesen beiden Frauen. Alles, was sie über Mode und das Leben lernen konnte, brachte ihr die ältere Freundin bei. Sie trug endlich Hosen, Pullover und Blusen, statt sich mit geblümten Mädchenkleidern zu verkleiden. Sie lernte rauchen, was ja gut funktioniert haben musste, da sie es ja bis zum heutigen Tag nicht aufgegeben hatte. Nicht einmal in 10 000 Meter Höhe.
So geistreich und fundiert wie mit ihr habe ich danach nie wieder mit einer Nicht-Textilerin über Stoffe, Qualitäten und Schnitte sprechen können. Es ist so wichtig zu wissen, was wir uns kaufen, welches Material etwas für uns tut und was einer Trägerin im Wege steht. Sie liebte Tweed, Hosen und feminine Hemdblusen. Sehr gern trug sie großen Schmuck und flache Schuhe. Stets hatte sie um die Kraft ihrer Lippen und Augen und ihrer Haare gewusst, die sie nie zu lang getragen hatte. Sie hatte keine Angst vor großen Kappen, ausladende und auffällige Hüte gehörten jedoch nicht zu ihrer Garderobe.
Als die Grundausstattung in Paris besorgt war, stürzten sich die beiden Frauen in das Pariser Nachtleben. »In der Not lässt es sich gut feiern, wenn alle im selben Boot sitzen«, sagte ihr Danièle. »Es musste eben gelebt werden, was das Zeug hält. Die einzige Aufgabe des Lebens ist damals wie heute: zu leben«, erzählte sie mir, »gut zu leben. So gut wie möglich.« Dieses »so gut wie möglich« beinhaltete auch, alles zu erleben, sich gehen zu lassen, auch erotisch, bis der geliebte Sohn aus der Ferne zurückkam. »Dieses Versprechen stand«, sagte sie mir. »Es war der erste Pakt meines Lebens. Danièle hatte mir gezeigt, was Freiheit bedeutete. Ich liebte sie dafür aus vollem Herzen. Sie wollte ihrem Sohn eben niemanden an die Seite stellen, der etwas verpasst hatte.« Frauen können so gescheit sein, wenn sie nur gelassen werden! Als der Krieg endlich vorbei war und Paris wieder frei, ohne deutsche Besatzung, waren zwei Frauen aus zwei Generationen zu einer festen Einheit zusammengewachsen.
Sie beschrieb das erste Treffen mit ihrem Mann folgendermaßen: Als sie in den Salon trat, stand dort – wie vom Himmel geschickt – ein schlanker junger Mann mit dem Rücken zu ihr. Er schaute aus dem Fenster und hatte – selbstredend – eine Zigarette in der Hand und trug eben jenen Turmalinring. Als er sich umdrehte, sagte sie: »Hallo! Wie schön, dass du endlich da bist. Ich bin deine Frau, wir werden heiraten.« »Wunderbar«, sagte er. »Ich freue mich, auf dich und das Leben mit dir!«
Als ich ihr nach der Landung in den Mantel half, spürte ich, was Qualität auch an einer älteren Dame vollbringen kann. Was für ein Look, was für eine Frau, was für ein Leben! Ich machte ihr das Angebot, sie in meinem Auto mit nach München zu nehmen. Sie war gleich begeistert und folgte mir in das Flughafenparkhaus. Ich tippte ihre Schwabinger Adresse in mein Navigationsgerät ein. Sie liebte meinen Wagen. »Guido« sagte sie, »Sie fahren ja in einer perfekten Handtasche durch die Gegend.« »Ja«, entgegnete ich, »und jetzt wird vermutlich die erste Zigarette in ihr geraucht.« Sie lachte laut und paffte die »Handtasche« voll. Als wir vor ihrer Haustür standen, sagte sie: »Du kommst mit herein, ich habe schon Jahre keinen Mann mehr abgeschleppt.« Und wir lachten beide laut.
In der Wohnung war es still. Es roch nach Leben, das sich bald verabschieden wird. Eine polnische Pflegerin kam auf uns zu, begrüßte uns herzlich und führte uns an das Bett ihres Mannes. Da lag er, der Langersehnte, die Liebe ihres Lebens. Sie hatte ihn nie mehr verlassen, war immer noch an seiner Seite. Sie stellte mich vor, ich drückte seine Hand. Wir tranken ein Glas Wein, an seinem Bett sitzend. Sie erzählte von meinem Auto. Ich sog diesen Moment tief auf. Ich weiß, wann mir das Leben etwas beibringen will. »Stell dir einmal vor«, sagte sie zu ihrem Mann, »er hat eine Dame in seinem Auto, die ihm mit nerviger Stimme den Weg erklärt. Ich bin mir sicher, bei der Stimme findet sie nie einen Mann.« Dann lachte sie so laut, dass sie nicht hörte, wie ich leise zu ihrem Mann sagte: »Singen kann sie aber nicht, oder?« »Gott bewahre«, sagte er, »aber sie bringt immer junge, sympathische Männer mit ins Haus, die ihre Koffer schleppen müssen.« Danke, Leben, dachte ich.
Woran erkennen Sie die Walküre
Dieser Frauentyp ist immer wieder staunenden und bewundernden Blicken ausgesetzt. Mit ihren markanten Schultern und ihren
Weitere Kostenlose Bücher