Apartment in Manhattan
abgesägten Schrotflinte abzuknallen.
„Ich muss jetzt los“, sage ich abrupt, nehme meinen weißen Pappbecher und meine riesige schwarze Umhängetasche.
„Ich auch“, erwidert Kate und nimmt ihrerseits ihren weißen Pappbecher und ihre riesige schwarze Umhängetasche. „Ich bringe dich zur U-Bahn.“
Na großartig.
Einige Straßenblöcke lang muss ich jetzt Kates Bemühungen ertragen, mir den Sommer in der City schmackhaft zu machen. Lächerlich, denn ich habe bereits so viele kochend heiße, stinkige Augusttage in dieser Großstadt erlebt, dass es mir ein Leben lang reichen würde.
Ich lebe hier seit über einem Jahr, und die ersten Monate habe ich mir eine Wohnung in Queens mit einer mir völlig Fremden geteilt, die ich durch eine Annonce in der Village Voice kennen gelernt habe. Sie hieß Mercedes, und die paar Mal, die sie in der Wohnung an mir vorbeischlich, sah sie völlig auf Droge aus. Sie schlief den ganzen Tag, während ich jobbte, und nachts tat sie weiß Gott was. Ich fragte sie mal danach, aber sie gab nur ausweichende Antworten. Wir zogen beide am Labour Day aus, weil der Schauspieler, der uns das Apartment untervermietet hatte, von den Sommeraufführungen außerhalb New Yorks zurückkam. Ich habe sie nie wieder gesehen, aber es würde mich nicht wundern, wenn ich sie eines Tages in einer Folge von
Cops
sehen würde.
Dank jenes Sommers in einem relativ erschwinglichen Bezirk kratzte ich genug Geld zusammen, um mir ein eigenes Apartment in Manhattan, im East Village, zu mieten. Sehr east – ganz weit im Osten. So weit, wie man nur gehen kann, bevor man im East River landet. Das Apartment hat etwas Deprimierendes an sich. Es scheint einfach nur in schwarz-weiß zu existieren, egal wie sehr ich auch versuche, es aufzupeppen. Aber meine Bestrebungen sind auch nur halbherzig.
Kate, die ich am dritten Tag bei einem meiner Jobs in New York kennen gelernt habe und die dank ihrer reichen Eltern in Mobile in einem eleganten, aus Backsteinen erbauten Haus in einer begehrten Gegend im West Village wohnt, drängt mich immer wieder, mir eine bunte Tagesdecke für meinen Futon zu kaufen. Dann entgegne ich, dass ich pleite bin, was auch immer stimmt, aber dazu kommt, dass ich kein Geld für dieses Apartment ausgeben möchte.
Und zwar deshalb: Wenn ich es mir richtig gemütlich mache, dann bekommt es etwas Permanentes – so, als ob ich dort bleiben möchte. Und ich will keineswegs allein in diesem deprimierenden Apartment im East Village bleiben.
Ich möchte mit Will zusammenleben.
Bald.
Und für immer.
„Denk doch nur“, sagt Kate. „Die Veranstaltungen von ‚Shakespeare in the Park‘.“
Ich zucke mit den Schultern. „Vielleicht tritt Will bei den Sommeraufführungen auch in einem Stück von Shakespeare auf.“
„Glaubst du?“
Ich zucke wieder mit den Schultern. Wahrscheinlich eher in
Little Shop of Horrors.
„Wir können uns italienisches Eis vom Straßenstand kaufen“, preist sie an. „Wir verbringen das Wochenende in den Hamptons.“
Ich schnaube verächtlich.
„Ich habe mich in den Hamptons eingemietet“, sagt sie. „Du kannst mich dort besuchen kommen.“
Sie erzählt immer weiter vom Sommer, der an diesem grauen Samstag im Mai schwer vorstellbar ist. Es nieselt, und es ist kühl.
Auf diesem Straßenabschnitt des unteren Broadway wimmelt es von gepiercten Typen, die wahrscheinlich auf die NYU gehen, von Familien mit Buggies, von Teenagergruppen aus den Vororten und den allgegenwärtigen Flugblattverteilern.
Kate und ich werfen unsere Pappbecher in einen bereits überquellenden Mülleimer an der Ecke Achte Straße – Broadway. Während sie ein Paar Ohrringe im Schaufenster einer Boutique bewundert, die fluoreszierende korallenfarbene Maulesel darstellen, verabschiede ich mich und steige in die Tiefen der U-Bahnschächte hinab.
Während ich auf dem Bahnsteig der Uptown-Züge auf Zug N warte, bleibe ich so weit wie möglich von den Schienen entfernt. Fast berühre ich mit dem Rücken die Wand, aber eben vorsichtshalber doch nicht ganz, denn man weiß schließlich nie, welcher mysteriöse Schmutz darauf lauert, sich an dem alten Lieblingspulli festzusetzen. Ich beobachte mit scharfen Blicken einen heruntergekommenen Typen, der die Kante des Bahnsteigs auf- und abtigert. Ein erster Hinweis darauf, dass er nicht alle Tassen im Schrank hat, ist die Tatsache, dass er bei 7° Celsius einen freien Oberkörper hat und Shorts und Badelatschen trägt. Er murmelt laut vor sich hin,
Weitere Kostenlose Bücher