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Apocalyptica

Apocalyptica

Titel: Apocalyptica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Graute
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Lâle gerade am meisten Sorge. Sie hatte diesen Mann einmal geliebt, war ihm jahrelang gefolgt und hatte so manche Enttäuschung über sich ergehen lassen, nur um ihn, der ihr zum ersten Mal im zarten Alter von dreizehn begegnet war und ihr Leben völlig aus den Fugen gebracht hatte, wiederzutreffen. Mittlerweile empfand sie keine Liebe mehr für den alterslosen, dunkelhaarigen Mann mit dem dichten Vollbart. Vielmehr empfand sie Zorn, wenn sie an ihn dachte, Zorn und noch etwas anderes. Möglicherweise Furcht? Der Mann, der stets in Rätseln zu ihr sprach, hatte sie beinahe fünf Jahre zuvor geschwängert, nachdem er ihr erzählt hatte, es sei für eine höhere Sache und sie würde damit ihr Schicksal erfüllen.
    Pah! Auf den Trick war wohl schon so manche Frau hereingefallen.
    „Verschwinde! Ich habe dir nichts zu sagen, außer Dinge, die du nicht hören willst.“ Mit diesen Worten nahm Lâle Schawâ bei der Hand und entfernte sich eiligst von dem Mann, der sich scheinbar ungerührt dem Zorn aussetzte, der ihm entgegenschlug.
    Als die dunkelhaarige Frau schon fast den vermeintlichen Schutz der Häuser der Heilung erreicht hatte, blieb sie unvermittelt stehen, ließ die Schultern hängen und stieß einen tiefen Seufzer aus, der zugleich Verzweiflung und Resignation ausdrückte. Schawâ wäre beinahe der Länge nach hingeschlagen, hatte sie sich doch die ganze Zeit über nach dem Mann und seinen stummen Begleitern umgeschaut, wie sie im hellen Sonnenlicht beinahe reglos dastanden. Das plötzliche Innehalten ihrer Mutter hatte ihre noch wenig ausgereifte Motorik überfordert. Hätte Lâle sie nicht an der Hand gehalten, so wäre sie vermutlich längst in eine umstehende Statue oder ein Gebüsch gelaufen oder gar über die Randbegrenzung des Weges, auf dem sie sich befanden, gestolpert.
    Das Mädchen verstand Lâles Aufregung und den unverhohlenen Hass nicht, den sie dem Mann gegenüber an den Tag legte. Eigentlich war ihre Ama eine liebenswürdige Frau, die sich nur selten zu einem bösen Wort hinreißen ließ. Nur manchmal, wenn der kleine Wildfang mit den vollen braunen Locken sie wieder zur Weißglut brachte, geriet sie etwas aus der Fassung. Aber selbst dann war ihr nach kurzer Zeit kaum noch etwas von Verstimmung anzusehen. Jetzt war es anders, dachte Schawâ. Ihre Mutter befand sich in einem Zustand größter Verwirrung. Nicht, dass sie es in Worte hätte fassen können, aber sie spürte, dass mit ihrer Mutter etwas nicht stimmte. Wie vom Donner gerührt war sie auf dem mit Steinen gepflasterten Weg stehengeblieben, nachdem sie dem Mann mit dem Bart ihre Meinung gesagt hatte und dann vor ihm weggelaufen war. Jetzt blickte Schawâ abwechselnd zu dem Mann hinter ihnen und ihrer Mutter neben ihr, um sich einen Reim auf die ganze Geschichte zu machen. Sie wurde jedoch nicht ganz schlau aus der Sache.
    „Was willst du hier?“, hörte Schawâ ihre Mutter wiederholen. Sie schien mit der Luft vor sich zu reden. Dann jedoch ging dem Mädchen auf, dass die Frage sich wohl an den Mann am Eingang hinter ihnen richten musste. Sie wandte sich um, um zu sehen, ob er überhaupt verstanden hatte, was ihre Mutter gefragt hatte. Die Antwort folgte auf dem Fuße.
    „Es ist soweit. Die Zeit ist gekommen.“ Erst jetzt bemerkte Schawâ die sonderbare Veränderung des Gehweges unter den Füßen des Bärtigen. Augenblicklich war alles andere vergessen, und Lâle entglitt die Hand ihrer Tochter, als sie dem Mann voller kindlicher Begeisterung und unverhohlenem Interesse entgegenstürzte. Die Frau kreiselte herum und versuchte, ihre Tochter zu fassen zu bekommen, um sie daran zu hindern, sich dem Mann zu nähern, doch wie ein feuchter Aal entging Schawâ ihrem mütterlichen Griff.
    Panik stieg in Lâle auf, so als sei die Szene Sinnbild für das, was vor ihr lag. Schon einmal hatte sie ihr Kind im Stich gelassen, hatte es in dieser schrecklichen Welt ohne Hoffnung auf sich allein gestellt zurückgelassen. Nie hatte sie diese Schuldgefühle überwunden. Jetzt schien sich alles zu wiederholen. Wieder sollte sie von ihrem Kind getrennt werden, diesmal ohne ihren freien Willen, und wieder war es der Wanderer, der Mann, der ihr seit ihrer frühen Jugend nicht aus dem Kopf gehen wollte und für den sie alles riskiert – und alles verloren – hatte, der für ihre Misere verantwortlich war.
    „Boah, schau mal, Ama. Hast du das schon mal gesehen?“ Die Worte ihrer Tochter rissen Lâle zurück in die Wirklichkeit, und erst jetzt bemerkte

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