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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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»der Wagen steht im Parkhaus.«
    »Ich will eigentlich gar nicht weg«, sagt er.
    Er schaut sie nicht an dabei. Er wollte das nicht sagen. Es kam wie von selbst aus ihm heraus, und er erinnert sich nicht, es vorher in seinem Inneren gehört oder gedacht oder sich zurechtgelegt zu haben. Sie zieht sich das Top über Schultern und Kopf, hakt ihren Büstenhalter auf, streift ihre leichte dunkelrote Pumphose zusammen mit dem Slip über die Hüften und schaut ihn dabei unverwandt an. »Komm«, sagt sie und legt das Kleiderbündel auf den Verstärker, nimmt ihn an der Hand und führt ihn zu seinem Bett.
    Und auf einmal ist alles da, was gestern Nacht gefehlt hat: Ein Gefühl der Freude, das sich in ihm ausbreitet, als wachse er im Volumen, als atme er immer tiefer ein, sei sich jeder Zelle seines Körpers bewusst und als strebe alles, jeder Muskel, jede Sehne, jeder Nerv auf seine Mitte zu, die Stelle, an der sich jetzt die Verbindung zwischen ihnen herstellt, da er auf dem Bett liegt und sich Christine langsam auf ihn herabsenkt. Ihr Körper ist aufgerichtet, ihre Hände liegen auf seinem Bauch, als stütze sie sich dort ab, gäbe sich Schwung für das anfänglich noch sehr sanfte Auf und Ab ihrer Bewegungen, aber das tut sie nicht, die Hände liegen leicht wie Papier auf seiner Haut und fühlen sich kühl und wie vergessen an.
    Sie schaut ihn an, während er sie anschaut, das Schwingen ihrer Brüste, den gestreckten Hals, das Lösen einer Locke, die sich aus dem Haarband schlängelt und ein kleines Echo schwingt, dann wandern ihre Hände bis hoch zu seiner Brust und weiter, sie beugt sich vor, er kann ihr Gesicht nicht mehr sehen, dafür eine ihrer Brüste in den Mund nehmen und die andere mit der Hand umfassen. Jetzt fühlt er, was er vierzehn Jahre in Erinnerung behalten und als Erkennungszeichen aufbewahrt hat: Sehnsucht nach ihr, obwohl sie da ist. Und er weiß, er wird erschüttert sein.
    —
    Im Kofferraum des dunkelgrauen Saab liegt schon eine akustische Gitarre, dem Koffer nach eine Martin, und eine Tasche von Meike, sodass Benno eine Zeit lang hin und her räumen muss, bis er den Verstärker, seine Strat, den Koffer mit Zubehör und seine Tasche verstaut hat. Für Meikes kleine Tasche, die sie oben in der Wohnung hat, ist kaum noch Platz – vielleicht muss sie auf den Rücksitz. Christine gibt ihm den Autoschlüssel. »Herzlichen Glückwunsch zum neuen Auto«, sagt sie, »Daniel hat mir gesagt, dass er dir den schenkt.«
    Benno nimmt den Schlüssel. »Ich brauch kein Auto.«
    »Jetzt grad aber schon«, sagt sie.
    »Vielleicht willst du ihn danach benutzen? Wenn ich fertig bin mit den Aufnahmen.«
    »Ich hab eins. Nur noch nicht hier. Muss es demnächst in Berlin abholen. Vielleicht mach ich das diese Woche noch. Wenn ich Geschirr und Besteck und Gläser und Tischwäsche und Vasen und Bettwäsche und was nicht noch alles beisammenhabe und nicht weiß, was ich mit mir und der vielen Zeit anfangen soll.«
    »Ich will jetzt nicht wegfahren«, sagt Benno leise, »ich will keine zehn Zentimeter Platz zwischen uns beiden.« Und auf einmal spürt er, dass ihm Tränen aus den Augen laufen. Das ist ihm peinlich, er versucht, es zu verbergen, versteht auch nicht, wieso er weint, er wird doch nicht vom Rockzipfel seiner Mama gerissen, aber Christine sieht es und nimmt ihn in die Arme.
    »Ich freu mich auf dich«, sagt sie leise und streichelt seinen Hinterkopf, »und ich freu mich auf die Musik, die du machen wirst.«
    Eine Weile stehen sie so, bis das Klacken von Schuhen ertönt und Christine sich von ihm löst, er sich die Tränen wegwischt und den Wagen mit einem leichten Druck auf die Fernbedienung im Schlüssel verriegelt. Es ist Elsa, die um die Ecke biegt und zu ihrem schwarzen Mini geht. Sie grüßt mit einem Winken und macht ein schattiges Gesicht beim Einsteigen. Dann fährt sie mit Schwung aus der Parkbucht und winkt noch einmal im Vorbeifahren, als Christine und Benno schon auf dem Weg zur Treppe sind.
    —
    Benno fährt. Meike hat ihm angeboten, das Steuer zu übernehmen, falls er keine Lust mehr haben sollte, sie fühle sich ausgeruht und fit, sagt sie, aber es macht ihm Spaß, obwohl er sich noch ein wenig dumm anstellt, zu langsam reagiert, zu spät schaltet, den Motor an Ampeln abwürgt und hier und da sogar die Kupplung krachen lässt. Er muss das erst wieder lernen. Das letzte Mal Auto gefahren ist er vor fünf Jahren, zu Zeiten der Band mit Kate, und das letzte Mal, dass er mit einem Schaltgetriebe zu

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