Arcanum – Das Geheimnis
etwas, das er nie vergessen würde. Sonja hatte eine Tätowierung auf dem Schambein. Es war eine rote Rosenblüte. Auf seine Frage, ob sie eine besondere Bedeutung habe, antwortete sie verschwörerisch:
„In der Antike traf man sich sub rosa , wenn man die Heimlichkeit und Verschwiegenheit einer Zusammenkunft zum Ausdruck bringen wollte. Ich fand das im übertragenen Sinn genial. An dem verschwiegenen Örtchen zwischen meinen Schenkeln machst Du mit Deinem Stöhnen allerdings einen ganz schönen Lärm“, fuhr sie mit gespielter Empörung fort, um zielsicher den nächsten Akt des Lustspiels zwischen seinen Beinen vorzubereiten.
Als sie sich schließlich abtrockneten, wusste Steve, dass er sie wieder sehen wollte. Ja mehr noch, er war über beide Ohren verliebt wie ein Teenager. Er hatte nur wenige sexuelle Erfahrungen gesammelt und spürte, dass ihm Sonja in dieser Hinsicht einiges voraushatte. Er verspürte keine Eifersucht und führte die unzähligen Liebhaber, über die sie nach und nach berichtete, auf ihren erotischen Job als Surflehrerin zurück.
Männliche wie manchmal auch weibliche Schüler erwarteten geradezu, dass sie mit der letzten Welle des Abends direkt in ihr zerwühltes Bett oder an den nächtlichen Sandstrand glitten, um dort auf ihrem makellosen, gebräunten Körper die ultimative Welle abzureiten.
Als sie eine feste Beziehung mit Steve einging, schwor sie ihm Treue, und er versuchte nicht allzu sehr darüber nachzudenken, welche Bedeutung der Begriff in ihrer Gedankenwelt hatte, in der sich durch den allgegenwärtigen Dunst des Marihuanas in den Surfbars der Traumstrände Mauis manches relativierte.
Es war eine schöne Zeit gewesen mit erotischen Abenteuern, die er sich vorher nicht einmal in seinen kühnsten Träumen hatte vorstellen können.
Doch alles nutzte sich einmal ab. Sonja war eine intelligente Frau. Sie stellte unablässig Fragen über das, was er gerade tat. Scherzhaft hatte er einmal gefragt, ob sie aus Ostdeutschland stamme, bei der Stasi angestellt gewesen sei und deshalb jede Unterhaltung mit ihr in einem Verhör ende. Anscheinend hatte er einen wunden Punkt berührt. Sonja erschrak, und für den winzigen Bruchteil einer Sekunde sah er hinter ihre immer fröhliche Fassade, bevor sie wieder ihr schelmisches Lächeln aufsetzte.
Er ahnte, dass sie ein Geheimnis hatte, doch er war der Meinung, jeder Mensch dürfe Dinge, die er nicht erzählen wollte, für sich behalten. Er dachte, sie würde eines Tages aus freien Stücken die dunklen Seiten ihrer Vergangenheit beleuchten, doch dazu kam es nicht mehr. Als seine Arbeit auf Maui endete, hatten sie sich in Freundschaft getrennt.
Er vermutete, dass er ihren sexuellen Durst nicht angemessen stillen konnte, und kam sich selbst durch die vielen Nächte in ihrem Bett ausgelaugt vor. Seine Arbeit fing an darunter zu leiden, und als ihm erste grobe Fehler unterliefen wusste er, dass es Zeit war, eine Entscheidung zu treffen.
Der Umzug zurück auf den Mauna Kea kam ihm gelegen, denn so waren sie beide Opfer der Umstände und hatten eine Entschuldigung dafür, dass ihr Kontakt mehr und mehr einschlief.
Er trauerte ihr nicht nach. Die gemeinsame Zeit war schön gewesen und endete harmonisch ohne den großen Streit, der eine langjährige Beziehung komplett vergiften konnte. Er für seinen Teil war dankbar und ging seiner Wege.
Er riss sich aus seinen Gedanken und konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit. Sonja hatte ihm in einer Bar, in der sie sich vollkommen betrunken hatten, einen kleinen Einblick in ihre mehr von Astrologie als Astronomie geprägte Weltanschauung gegeben. Sie erzählte, dass am ominösen Ende des Mayakalenders die Erde irgendwie zum Zentrum der Milchstraße stehe, und von dort eine große Gefahr drohe. Er musste damals lachen und fragte sie, ob sie sich bei ihm in der Adresse geirrt habe und den Unterschied zwischen Astronomie und Astrologie nicht kenne. Sie hatte ihn böse angefunkelt und gefragt, ob denn derjenige auf einer höheren Entwicklungsstufe stehe, der die Buchstaben des Alphabets kenne und schön male, oder derjenige, der die Buchstaben zu sinnvollen Worten und Sätzen zusammenfüge.
Das genau sei der Unterschied zwischen Astronomie und Astrologie.
„Das würde aber bedeuten, dass jeder Astrologe als Astronom beginnen muss. Leider vermisse ich bei allen Astrologen, die ich kennengelernt habe, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften und den fundamentalen Gesetzen der Physik. Es
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