Arcanum – Das Geheimnis
herrschte jene Stille, die Steve Watson an diesem Ort immer geliebt hatte. Er versah seinen nächtlichen Dienst an den beiden riesigen Zehnmeterteleskopen routiniert wie schon die vergangenen acht Jahre zuvor. Nur eingefleischte Junggesellen wie er waren bereit, die ungewöhnlichen Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen, die die Astronomie mit sich brachte. Lediglich die Sonnenbeobachtung und Wartungsarbeiten rechtfertigten einen Aufenthalt auf dem kahlen Berg am Tage. Steve hatte sich lange Zeit mit der Sonnenaktivität sowie den Sonnenflecken und ihrem Einfluss auf das Klima der Erde beschäftigt. In dieser Zeit hatte er eine feste Freundin und Kumpels gehabt, mit denen er sich nach Sonnenuntergang traf, um durch die Strandkneipen der Insel zu ziehen.
Als er aber begann, sich dem unvergleichlichen Sternenhimmel über Hawaii zu widmen, verließ ihn Sonja, die blonde Schönheit, die als Surflehrerin aus Deutschland auf Maui hängen geblieben war.
Seine Kumpels zogen los, wenn er sich auf den Berg zurückzog, und schließlich hatte er alle zwischenmenschlichen Kontakte abgebrochen außer denen, welche er über das Internet mit Kollegen pflegte, die sich entweder auch die Nacht um die Ohren schlugen, oder aber weit entfernt auf der Tagseite der Erde ohnehin wach waren.
Es waren die Anfangsjahre auf dem Mauna Kea gewesen, als er neben seinem Beobachtungs-Job, der ihm ein unspektakuläres Auskommen sicherte, an seiner Promotion über den Zusammenhang der Kleinen Eiszeit des ausgehenden Mittelalters mit einem ungewöhnlichen Sonnenfleckenminimum schrieb, die ihm die Anerkennung der Fachwelt einbrachte und zudem eine feste Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter jener Crew, die die Auswahl traf, wer zu welchen Konditionen Beobachtungszeit der riesigen Teleskope erhielt. Die Anfragen überstiegen bei Weitem die nutzbaren Nacht- und Tagesstunden, sodass sie sehr viel mehr Absagen erteilen mussten, als Zusagen gewährten. Es war schwierig zu entscheiden, welche Projekte interessant waren und nicht nach jahrelangen Anstrengungen und Terabytes an Daten im Nichts endeten, was trotz aller Sorgfalt häufig geschah.
Auch wenn dieser Ort, der höchste Berg der Erde, der sich unter Wasser sechstausend Meter vom Meeresboden erhob, um nochmals viertausend Meter über dem tiefblauen Pazifik in den Himmel zu wachsen, einer Landschaft glich, die nicht von dieser Welt zu sein schien, so plagten die Wissenschaftler doch sehr weltliche Sorgen.
Es ging immer um das liebe Geld, und ein jährlicher Rechenschaftsbericht an die verantwortlichen Regierungsbehörden entschied über die Mittel, die im nächsten Jahr zur Verfügung standen.
Steve taten die vielen jungen Kollegen leid, die mit guten Ideen an ihn herantraten, und die er ablehne musste, weil sich aus den zu erwartenden Ergebnissen beim besten Willen kein unmittelbarer Nutzen für andere Projekte oder eine erkennbar bahnbrechende Bedeutung für die Betonköpfe der Verwaltung darstellen ließ.
Er war selbst einmal in dieser Situation gewesen und konnte den Frust nachvollziehen, der viele hochbegabte Wissenschaftler in die gut bezahlten Jobs der Industrie abwandern ließ, wo sie fortan widerspruchslos taten, was man von ihnen erwartete.
Die Krux jeder Grundlagenforschung war, dass man eben nicht sofort sah, wo sie hinführte, aber bei knapper werdenden Ressourcen und einer andauernden Weltwirtschaftskrise war der Spielraum für Investitionen ins Blaue denkbar klein geworden und von der amerikanischen Aufbruchsstimmung der sechziger Jahre zum Mond nichts übrig geblieben. Er versuchte immer wieder Geldgebern zu erklären, dass die Mondlandung ein vollkommen irrsinniges Unterfangen gewesen sei, das alleine politisch motiviert fünfzig Milliarden Dollar ohne erkennbaren Nutzen verschlugen hatte, und dennoch die Vormachtstellung der Amerikaner in der IT-Branche begründete sowie industrielle Patente zeitigte, die ein Vielfaches der Summe zurückbrachten.
Zu seinem großen Glück hatte sich Hollywood eines Problems angenommen, das alle Menschen dieses Planeten in höchstem Maße betraf, von den Wissenschaftlern mit langweiligen Statistiken aber totgeredet worden war, um schließlich als dicker Ordner in der Schublade irgendeines Schreibtisches im Weißen Haus zu verschwinden. Seit den dramatischen Bildern aus den Computern der Traumfabrik, die im Film Deep Impact den Einschlag eines gigantischen Meteoriten auf der Erde zum Leben erweckten, war auch Washington alarmiert.
Inzwischen
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