Armegeddon Rock
jüngeren und älteren Leute dazuzählte, die sich in ihrer Gegnerschaft gegen den Vietnamkrieg von Eugene McCarthy vertreten fühlten, so hatte das Movement 1968 eine beachtliche Stärke erreicht.
Trotzdem war es letztlich weder stark genug, um die Niederlage McCarthys beim Nominierungsparteitag der Demokraten noch den anschließenden Sieg Nixons und seines Vizepräsidenten Spiro Agnew bei den Präsidentschaftswahlen 1968 zu verhindern. Die Wahlbeteiligung war die niedrigste seit 1956: Sie betrug nur 60 %. Insgesamt wurde Nixon von nur 27 % der Wahlberechtigten gewählt.
Während Nixon von einem »ehrenvollen Frieden« in Vietnam sprach und den allmählichen Abzug der Truppen in Aussicht stellte, weitete er statt dessen den Krieg insgeheim aus. Ein paar Wochen nach seiner Amtseinführung begann die Bombardierung Kambodschas, das offiziell als neutrales Land galt.
Gegen eine nach dem Massaker von My Lai, den Bombardierungen vietnamesischer Städte und mörderischen Entlaubungsoperationen mit Agent Orange erneut stark anwachsende Protestbewegung gelang es Nixon 1972 noch einmal, seine Wiederwahl durchzusetzen. Allerdings warfen bereits erste Enthüllungen über den Watergate-Skandal ihre Schatten voraus; während des Wahlkampfs waren im Hauptquartier der Demokraten Abhörgeräte angebracht und diskreditierende Dokumente gegen Hubert Humphrey, Edward Kennedy und andere gefälscht worden.
Nachdem Spiro Agnew bereits 1973 wegen Einkommensteuerbetrugs und Bestechlichkeit sein Amt aufgeben mußte, zwang die mittlerweile erdrückende Beweislast gegen den Präsidenten im Watergate-Skandal Nixon 1974 endgültig zum Rücktritt. Man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, daß dieses Ende der gesamten politischen Laufbahn und dem Charakter dieses Menschen völlig angemessen war. Mit dem Ende der »Nixon-Ära« ging schließlich auch der Vietnamkrieg zu Ende. Im Jahr 1975 gab Gerald Ford, Nixons Amtsnachfolger, nach dem Einmarsch der Vietkong in Saigon den Abzug aller amerikanischer Truppen aus Vietnam und Kambodscha bekannt.
Tatsache bleibt jedoch: Nicht das Movement, nicht der weltweite Proteststurm hatten die Amerikaner zum Rückzug gezwungen, sondern die Vietnamesen hatten einfach den Krieg gewonnen. Sie hatten die Amerikaner vertrieben. Der breite Widerstand gegen die amerikanische Vietnampolitik mag vielleicht eine Unterstützung für sie gewesen sein und einen Angriff mit Atomwaffen auf Vietnam verhindert haben, wie der einflußreiche Senator Barry Goldwater ihn vorgeschlagen hatte, aber mehr auch nicht. Wie die APO in der BRD war auch das Movement im Zerfall begriffen. Sehr viele resignierten und zogen sich ins Privatleben oder in biodynamische Landkommunen zurück, etliche traten in die großen Parteien ein und den »Marsch durch die Institutionen« an, manche andere schlossen sich linken Gruppierungen an, und einige wenige gingen in den Untergrund, zur RAF oder zu den »Weatherman«, um »den bewaffneten Kampf in die Metropolen zu tragen«.
Wir hatten so viel getan und so wenig erreicht. Wir hatten – um ein Bild von Kate Wilhelm zu verwenden – Steine ins Wasser geworfen, aber es stellte sich heraus, daß wir es nicht mit einem kleinen Teich, sondern mit einem großen See, einem ganzen Ozean, zu tun hatten, und die Wellen kräuselten sich vielleicht eine Zeitlang, aber dann verebbten sie.
Heute weiß ich, daß wir uns vielfach Illusionen gemacht, von einer schnellen Veränderung geträumt haben. Wir haben nicht gesehen, daß sich damals etwas langsam zu entwickeln begann, was heute – mit oder ohne uns – fortlebt: ein breiter Widerstand gegen die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen, gegen die Bedrohung des Friedens durch den Bau und die Stationierung von Atomwaffen, gegen ein neues Vietnam, wie es sich möglicherweise in Nicaragua anbahnt. Und manchmal wünsche ich mir dazu eine Musik, die diesen neuen Widerstand begleitet, ihm so wie früher Kraft und Schwung gibt, Music to Wake the Dead; denn das heißt ja auch: Musik, die das Tote weckt, das, was in uns abgestorben ist – oder nur, tief im Inneren begraben und verschüttet, schläft…
PETER ROBERT August 1986
Copyrightvermerke zu den in diesem Buch verwendeten Zitaten
KAPITEL EINS »Those Were the Days« (words and music by Gene Raskin), TRO – Copyright © 1962, 1968 Essex Music, Inc. New York, New York.
KAPITEL ZWEI »Bad Moon Risin’« (John Fogerty), Copyright © 1969 Jondora Music.
KAPITEL DREI »Did You Ever Have to Make Up Your
Weitere Kostenlose Bücher