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"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"

"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"

Titel: "Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Senzel
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Schutz, den die Klinik bot. Vor Fragen, Auseinandersetzungen und sonstigen Problemen aller Art. »Narzisstische Depression«, das war die Diagnose, die mich mit meinen Mitpatienten verband.
    Dr. B. eröffnete unsere Therapiestunde jedes Mal mit derselben Frage: »Wie fühlen Sie sich?«
     
    »Erschöpft – müde – am liebsten wäre ich heute Morgen im Bett geblieben…«
    »Hm – warum haben Sie’s dann nicht getan?«

    »Weil ich um 9.15 Uhr einen Termin bei Ihnen habe.«
    »Sie meinen, weil es von Ihnen erwartet wurde? Nicht weil es Ihnen ein Bedürfnis war, mit mir zu sprechen?«
    »Nein, weil es für mich selbstverständlich ist, dass ich Termine, die ich selbst vereinbart habe, verlässlich einhalte. Mit Lust oder Bedürfnissen hat das nichts zu tun.«
    »Dann beantworten Sie doch meine Frage: Warum sind Sie nicht liegen geblieben, wenn es ihr Bedürfnis war?«
    »Ich sagte Ihnen bereits …«
    »Nein, Sie haben von Verlässlichkeit gesprochen, das kann ich verstehen. Aber Sie hätten die Schwester bitten können, den Termin abzusagen.«
    »Herr Dr. B., ich habe mich aus freien Stücken zu dieser Therapie entschieden – weil ich etwas ändern will und nicht im Bett liegen.«
    »Aber möglicherweise wäre es Ihnen besser gegangen damit, im Bett zu bleiben – und genau darum geht es doch hier. Ausschließlich um Sie. Und nicht darum, dass ich auf Sie warte…«

Vorspiel
    »Ich mache jetzt eine Therapie!«
    Das verkündete ich einst stolz. Fest entschlossen zur Veränderung. Bereit, den Dingen auf den Grund zu gehen. Ein Glaubensbekenntnis. Therapie als Ersatzreligion unserer Zeit – nur dass wir nicht Gott suchen, sondern uns selbst. Ich war jahrelang treuer Jünger. Immer, wenn mein Leben an einen toten Punkt gelangte, machte ich eine Therapie. Wenn eine Liebe zerbrach, die mit so viel Hoffnung begonnen hatte. Wenn berufliche Probleme mir über den Kopf wuchsen. Wenn alles öde, mühselig und sinnlos erschien, wenn ich mich leer, ausgebrannt und niedergeschlagen fühlte, dann suchte ich immer wieder Rettung in der Therapie.
    Und ich war jedes Mal wieder aus tiefstem Herzen davon überzeugt, dass ich sie fand. Weil ich endlich begriff, woher meine Ängste kamen und warum ich immer wieder dieselben Fehler machte. Welch unheilvolle Saat da in meiner Kindheit ausgelegt worden war, die mich hinderte glücklich zu sein. Meine Seele mit all ihren Verletzungen und Bedürfnissen öffnete sich vor mir und ließ
wenig Zweifel daran, was sie brauchte, um zu gesunden. Es war so klar! So einfach! Die Erkenntnis erfüllte mich wie ein Rausch. Doch schon bald kam der Katzenjammer. Was ich mir unter zustimmendem Nicken meines Therapeuten so schön ausgemalt hatte, funktionierte im echten Leben einfach nicht. Die Welt mit ihren konkreten Problemen und Herausforderungen schert sich herzlich wenig um Bewusstseinsprozesse. Sehr bald hatte ich mich wieder in genau jenen Teufelskreis aus Lügen und Selbstbetrug verstrickt, dem ich durch die Therapie gehofft hatte zu entkommen.
     
    »Was soll ich tun?«, fragte ich Therapeut Nummer zwei, drei und vier – und es kam jedes Mal die von eindringlich-anteilnehmendem Blick begleitete Gegenfrage: »Was glauben Sie denn, was Sie tun sollten?«
    Ich kannte die Antwort! Und machte trotzdem immer wieder dieselben Fehler. Tat eine Menge Dinge, von denen ich schon vorher wusste, dass sie mir ganz und gar nicht guttun würden. Obwohl ich es besser wusste. Obwohl es sich schlecht anfühlte. Obwohl ich es anders wollte. Nicht an Erkenntnis mangelte es mir – sondern an der nötigen Kraft zur Veränderung.
    »Sie sind auch liebenswert, wenn Sie schwach sind«, sagten meine Therapeuten. Sie hätten mir lieber einen Weg zeigen sollen, wie man stark wird.

Meine Therapie-Karriere
    Arbeit an mir selbst?
    Meine erste Therapie habe ich mit 32 gemacht. Ich hatte heftigen Liebeskummer, sah keinen Sinn mehr im Leben, und ein Freund schlug vor: »Vielleicht solltest du mal ’ne Therapie machen!« Eine Menge Leute aus meinem Bekanntenkreis machten eine Therapie. Es galt als mutig: Nicht mehr weglaufen, sondern sich den eigenen Schwächen stellen. Leute, die eine Therapie machten, fühlten sich den anderen überlegen, weil sie hinter die Dinge schauten. Mal ein bisschen genauer hinsahen bei sich selbst. Und so sprachen wir über meinen Liebeskummer in der ersten Therapiestunde. Ich glaubte, daran zu zerbrechen. Meine große Liebe hatte mich verlassen, nachdem ich sie nach Strich und Faden belogen und

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