Artefakt
hat er schon begonnen zu verstehen.
Epilog
Das Haus schwebte und flog in den oberen Atmosphäreschichten eines Gasriesen, der das schwache Licht eines nahen Braunen Zwergs empfing. Einen praktischen Nutzen an diesem besonderen Ort hatte das Haus nicht, aber Jazmine mochte es, auf der von Schirmfeldern geschützten Aussichtsplattform oder an den Panoramafenstern zu stehen und in die bunten, wogenden Tiefen des Gasriesen zu blicken.
An diesem Morgen stand sie auf dem Balkon des Westflügels und beobachtete die ovalen Muster eines zehntausend Kilometer durchmessenden Sturmgebiets, dem sie sich mit halber Schallgeschwindigkeit näherten.
»Wir greifen heute auf Cantabrana ein«, sagte Rahil. »Es ist alles vorbereitet.«
»Können wir nicht noch ein wenig warten?«, fragte Jazmine. »Bis heute Abend oder bis morgen? Sieh nur die Farben am Rand der Sturmzone. Sind sie nicht wunderschön?«
Sie hatte wieder schwarzes Haar, wenn auch noch nicht lang genug, um es zu einem Zopf flechten zu können, und die Narben waren aus ihrem Gesicht verschwunden. Das verdankte sie den Femtomaschinen, die sie von der Superschmiede bekommen hatte. Die kleinen Helfer in ihrem Innern würden sie auch vor körperlichem Zerfall bewahren, wenn sie sich längere Zeit außerhalb des Artefakts aufhielt, das sich nach wie vor auf Heraklon befand, von einer Kontinuumblase geschützt, die allein ihnen beiden Zugang gewährte.
»Die Sturmzone wird fünfhundert Jahre aktiv bleiben«, verkündete die Maint des Hauses. »Dir bleibt genug Zeit, sie zu beobachten, Jazmine.«
Sie drehte sich widerstrebend um. »Na schön, Bruder. Gehen wir nach Cantabrana.«
Sie gingen tatsächlich. Überall im Haus gab es Nullzeit-Kickouts, und eines von ihnen führte zur Station über Cantabrana, mehr als tausend Lichtjahre vom Gasriesen mit dem Haus entfernt.
»Wir haben Besuch bekommen«, sagte Rahil, als sie dort eintrafen. Das große Projektionsfeld im Instrumentenraum zeigte nicht nur den blaugrünen Planeten, wie er sich langsam unter der von den Programmbibliotheken der Superschmiede geschaffenen Station drehte, sondern auch mehrere Shifter der Ägide und sogar ein IKV der Hohen Mächte, das die Geschehnisse aus einer Entfernung von zehn Millionen Kilometern beobachtete.
»Sind es Krion?«, fragte Jazmine.
»Das lässt sich mit den derzeitigen Sensoren dieser Station nicht feststellen«, erwiderte Rahil. »Ich müsste zum Artefakt zurück und sie neu ausstatten, aber das würde nur Zeit kosten. Was die Ägide betrifft … Sie ist auf meine Einladung hin präsent, Jaz.«
»Warum?«
»Sie soll sehen, wie wir vorgehen«, sagte Rahil. »Sie soll einen direkten Eindruck davon bekommen, welche Waffen wir von jetzt an gegen die Despotien der Gefallenen Welten einsetzen. Und es soll auch eine Warnung sein, an die Adresse der Bruch-Gemeinschaft und der Ägide. Die Botschaft lautet: Von jetzt an nehmen wir keine Lügen mehr hin.«
Drei Monate lang hatten die von der Superschmiede produzierten Drohnen Informationen gesammelt, und die Maint der Station, mit dem Artefakt verbunden, war als strategischer Planer tätig gewesen. Ihre Formspeicher schufen zwei Interface-Sessel, und Bruder und Schwester nahmen Platz. Das große Projektionsfeld vor ihnen wuchs, bis es ihr ganzes Blickfeld ausfüllte, und teilte sich dabei in viele einzelne Fenster, die verschiedene Regionen von Cantabrana zeigten. In einigen großen Städten fanden Demonstrationen statt; Militär und Polizei schickten sich dort an, gegen die Protestierenden vorzugehen. Der Regierungspalast in der Hauptstadt war gut geschützt. Primitive Helikopter flogen über den Straßen des Regierungsviertels, und Waffenläufe ragten aus den offenen Türen.
Rahil sah nicht nur die Bilder des Projektionsfelds, sondern empfing auch die Daten der Drohnen, die weithin sichtbar über den Städten schwebten, in denen sich Tausende zu Protesten zusammengefunden hatten. Via Interface hörte und sah er den Präsidenten, wie er über die lokalen Medien zur Bevölkerung sprach und die »Aufwiegler« verurteilte, die »Protestler« angestachelt hatten und überall für Unruhe sorgten. Er, der sich immer für sein Volk eingesetzt hatte und es über alles liebte, werde die Aufrührer hart bestrafen und dafür sorgen, dass Ruhe und Frieden zurückkehrten. Mit scharfen Worten verurteilte er die »Eindringlinge aus dem All«, denen er letztendlich die Schuld an den Unruhen gab.
»Das übliche Gerede«, sagte Rahil. »Aber jetzt
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