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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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so langlebig wie ich. Selbst die geistige Stimme des Piloten war nur noch ein Raunen. Die Femtomaschinen werden dich am Leben erhalten, einige Tausend Jahre. Zeit genug für dich, der Menschheit mit dem Artefakt einen sicheren Weg in die Zukunft zu bahnen. Zeit genug, deine Aufgabe zu erfüllen und einen Nachfolger zu finden.
    »Ich höre nichts mehr«, sagte Coltan. »Warum antwortet er nicht?«
    »Weil er tot ist«, erwiderte Jazmine.
    »Nicht ganz. Seine Erinnerungen leben weiter, Jaz.« Rahils Femtomaschinen – eine Gabe der Hohen Mächte, die in Wirklichkeit alle nur Sekundäre waren, wie die Menschheit in der Zukunft – funktionierten wieder, und er bemerkte es erst jetzt. Einen Teil der Ruhe verdankte er ihnen, den anderen der Superschmiede, die ihn als ihren Schmied empfangen hatte.
    Einige Tausend Jahre …
    »Mein Sohn«, sagte Coltan und kam näher, »ich hoffe, du glaubst nicht all das dumme Gerede …«
    Noch eine letzte Sache, dachte Rahil. »Warum das Schiff im M-Raum, Vater?«, fragte er. »Warum der Disruptor, der mich zwang, den Transit nach Heraklon zu unterbrechen?«
    »Junge, ich habe dir doch schon gesagt …«
    »Dass du nichts damit zu tun hast? Vielleicht stimmt das sogar. Die Krion haben dich sicher nicht in alle ihre Pläne eingeweiht. Ich nehme an, sie unterbrachen eine Ereigniskette, um eine neue zu schaffen, die besser zu ihren Absichten passte. Zwar war Sammaccan bei mir, dein Aufpasser, und du hattest die Rüstung manipuliert, aber vielleicht hättest du mich nicht wie gewünscht kontrollieren können, wenn ich auf direktem Weg nach Heraklon geflogen wäre.« Und ohne das Eingreifen des Gesserat namens Zacharias hätten die Krion Erfolg gehabt, dachte Rahil.
    Und hier bin ich nun, im Innern des Artefakts, fügte er in Gedanken hinzu. Mit einer Verantwortung, wie sie noch kein Mensch vor mir getragen hat.
    Seine rechte Hand bewegte sich wie von allein und berührte Jazmines Finger, die eben noch einen knisternden Würfel mit Bildern wie Fenster gehalten hatten. »Hilfst du mir, Jaz?«, fragte er leise.
    Sie wusste, was er meinte; sie brauchte keine Fragen zu stellen. Die Gabe existierte auch in ihr, aber sie hatte nie gelernt, Schmiedin zu werden. Vielleicht deshalb nicht, weil sie nie das Lied der Kosmischen Enzyklopädie gehört hatte, nie danach süchtig geworden war.
    »Wie kann ich dir helfen?«, fragte sie unsicher.
    »Ich zeige es dir.«
    »Willst du etwa die Macht des Artefakts mit ihr teilen?«, entfuhr es Coltan. Er stand zwei Meter entfernt, mit einer Brille, die ihn nur einen kleinen Teil seiner Umgebung erkennen ließ. »Sie ist verrückt, Junge! Sie hat dich erstochen.«
    »Das hat sie«, sagte Rahil. »Und doch vertraue ich ihr mehr als dir.«
    »Mein Sohn …«
    »Hör auf, Vater. Es ist zwecklos. Nach allem, was du getan hast …«
    »Er hat Emily getötet!«, rief Jazmine. »Ich sollte ihm das Gesicht zerkratzen! Ich sollte …« Ein Dolch erschien in ihrer Hand, wie aus Glas oder Kristall.
    »Nein.« Rahil ließ ihn mit einem Gedanken verschwinden, mit einem Wunsch, den er an die Programmbibliotheken richtete. »Wir töten nicht, Schwester. Wir zerstören nicht. Wir helfen und bauen einen Weg in die Zukunft.«
    Er schloss die Augen und dachte: Pilot, falls du mich noch hörst, falls ein Rest von dir, außer deinen Erinnerungen, in den Programmen der Superschmiede verblieben ist: Ich stelle mich meiner Aufgabe und übernehme jetzt.
    Der Schmied übernahm die Schmiede, und Farben vertrieben das Grau aus dem Artefakt.
    Vulkanasche lag dick auf den Gräbern, und Regentropfen fielen von einem dunklen Himmel. In der Nähe leuchteten die fraktalen Muster des Kickouts, ein kleines Portal, gerade groß genug für Menschen, und sein Licht vertrieb die Düsternis aus diesem Teil des Friedhofs für Namenlose auf Caina. Hinter der nahen Hügelkette erstreckte sich Meemken, die Stadt, in der Rahil und Jazmine einen Teil ihrer Kindheit verbracht hatten.
    Rahil hielt die Hand seiner Schwester und blickte auf das Grab hinab. Es gab keinen Grabstein, keine Markierung, keinen Namen, und doch wusste er, dass sie hier begraben lag: die Frau mit den Sommersprossen und dem sanften Lächeln, die Missionarin, die ihnen an einem stürmischen Tag von Taifunen und Orkanen erzählt hatte.
    »Was soll das?«, fragte Coltan, nahm die Brille mit den Wahrnehmungsfiltern ab und sah sich um. »Warum hast du uns hierhergebracht?«
    Joyce stand neben ihm, und etwas weiter hinten lag der noch immer

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