Arthur & George
Gewohnheitsverbrecher in den Gefängnissen Seiner Majestät allesamt auf die schottische Insel Tiree zu schaffen. George hatte sich Zeitungsartikel ausgeschnitten, Sherlock Holmes’ fortlaufende Heldentaten in The Strand Magazine verfolgt und sich in der Bibliothek Sir Arthurs neueste Bücher ausgeliehen. Zweimal hatte er Maud ins Kino ausgeführt, wo sie sich Mr Eille Norwoods beachtliche Darstellung des beratenden Detektivs ansahen.
Er wusste noch, wie er sich in dem Jahr ihres Umzugs in die Borough High Street eigens die Daily Mail gekauft hatte, um Sir Arthurs Sonderbericht vom Marathonlauf bei den Olympischen Spielen in London zu lesen. Sein Interesse an sportlichen Ambitionen hätte nicht geringer sein können, doch er wurde mit einem weiteren Einblick – so es dessen noch bedurfte – in das Wesen seines Wohltäters belohnt. Sir Arthurs Schilderung war so anschaulich gewesen, dass George sie wieder und wieder las, bis er im Geiste alles vor sich sah wie in der Wochenschau. Das riesige Stadion – die erwartungsvolle Menge – eine kleine Gestalt läuft als Erste ein – ein Italiener, dem Zusammenbruch nahe – er stürzt, steht wieder auf, stürzt wieder, steht wieder auf, taumelt – dann läuft ein Amerikaner in das Stadion ein und holt langsam auf – zwanzig Meter trennen den tapferen Italiener vom Zielband – die Menge ist wie gebannt – er stürzt erneut – man zieht ihn hoch – hilfreiche Arme schieben ihn durch das Band, ehe der Amerikaner aufholen kann. Doch der Italiener hat natürlich gegen die Regeln verstoßen, weil er sich helfen ließ, und so wird der Amerikaner zum Sieger erklärt.
Ein gewöhnlicher Journalist hätte es dabei bewenden lassen und sich gefreut, dass er die Dramatik dieses Augenblicks so plastisch beschwören konnte. Doch Sir Arthur war kein gewöhnlicher Journalist, und die Tapferkeit des Italieners hatte ihn so gerührt, dass er eine Spendensammlung für ihn organisierte. Es waren dreihundert Pfund zusammengekommen, mit denen der Läufer in seinem Heimatdorf einen Bäckerladen aufmachen konnte – was eine Goldmedaille nie hätte bewirken können. Das war typisch für Sir Arthur: ebenso großzügig wie praktisch in seinem Denken.
Nach seinem Erfolg im Fall Edalji hatte Sir Arthur sich auch für andere Opfer der Justiz eingesetzt. George musste sich zu seiner Schande eingestehen, dass er auf diese nachfolgenden Opfer einen Neid empfand, der bisweilen an Abneigung grenzte. Da war zum Beispiel Oscar Slater, dessen Fall Sir Arthur viele Jahre seines Lebens beschäftigt hatte. Der Mann war zwar fälschlich wegen Mordes angeklagt und beinahe hingerichtet worden, und Sir Arthurs Intervention hatte ihn vor dem Galgen bewahrt und letztendlich seine Freilassung bewirkt; doch Slater war ein ganz primitiver Mensch, ein Berufsverbrecher, der sich seinen Unterstützern gegenüber nicht im Geringsten dankbar gezeigt hatte.
Sir Arthur hatte auch weiter Detektiv gespielt. Der merkwürdige Fall einer verschwundenen Schriftstellerin lag erst drei oder vier Jahre zurück. Christie, so hatte sie geheißen. Offenbar ein aufsteigender Stern der Kriminalliteratur, auch wenn George nicht das leiseste Interesse an aufsteigenden Sternen hatte, solange Holmes’ Buch der Fälle noch nicht abgeschlossen war. Mrs Christie war aus ihrem Haus in Berkshire verschwunden, und ihr Auto wurde etwa fünf Meilen außerhalb von Guildford verlassen aufgefunden. Als drei Polizeimannschaften keine Spur von ihr entdecken konnten, hatte der Chief Constable von Surrey Sir Arthur hinzugezogen – der einst Deputy Lieutenant der Grafschaft gewesen war. Was dann geschah, hatte viele überrascht. Hatte Sir Arthur Zeugen befragt, den zertrampelten Boden nach Fußspuren abgesucht oder die Polizei ins Kreuzverhör genommen, wie er es in dem berühmten Fall Edalji getan hatte? Nichts dergleichen. Er hatte sich an Christies Ehemann gewandt, sich einen Handschuh der vermissten Frau ausgeborgt und diesen zu einem Medium gebracht. Dieser Mann hatte sich den Handschuh dann auf die Stirn gelegt, um so die Gesuchte aufzuspüren. Nun ja, der Einsatz wirklicher Bluthunde – wie George ihn einst der Staffordshire Constabulary vorgeschlagen hatte – zum Erschnüffeln einer Fährte war das eine, aber der Einsatz parapsychologischer Bluthunde, die zu Hause blieben und an Handschuhen schnüffelten, war etwas ganz anderes. Als George von Sir Arthurs neuartigen Ermittlungsmethoden las, war er recht erleichtert gewesen, dass in seinem
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