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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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bestreiten, dass der Illusionist solche Effekte herbeiführen konnte, erklärte diese Fähigkeit aber lieber auf seine Weise: Mr Houdini verfüge in der Tat über die spirituellen Kräfte, deren Existenz er so eigensinnig bestreite.
    Nachdem ›Open My Eyes‹ verklungen ist, tritt eine schlanke Frau mit kurzem, dunklem Haar in einem wallenden schwarzen Satingewand ans Mikrophon. Das ist Mrs Estelle Roberts, Sir Arthurs liebstes Medium. Die Atmosphäre im Saal ist jetzt noch gespannter als während der zwei Schweigeminuten. Mrs Roberts wiegt sich im Stehen leicht hin und her, sie hat die Hände gefaltet und den Kopf gesenkt. Alle Augen sind auf sie gerichtet. Langsam, ganz langsam hebt sie den Kopf; dann öffnen sich ihre Hände und die Arme breiten sich aus, während das sanfte Schwanken anhält. Endlich beginnt sie zu sprechen.
    »Es sind unzählige Geister hier unter uns«, beginnt sie. »Sie bedrängen mich mit aller Macht.«
    So scheint es tatsächlich zu sein: Offenbar hält sie sich trotz starken Drucks aus verschiedenen Richtungen aufrecht.
    Eine Weile geschieht nichts, nur Schwanken und unsichtbare Knüffe und Püffe. Die Frau an Georges rechter Seite flüstert: »Sie wartet darauf, dass Red Cloud sich zeigt.«
    George nickt.
    »Das ist ihr geistiger Führer«, sagt die Nachbarin weiter.
    George weiß nicht, was er dazu sagen soll. Dies ist ganz und gar nicht seine Welt.
    »Viele geistige Führer sind Indianer.« Die Frau verstummt kurz, dann lächelt sie und fügt nicht im Geringsten verlegen hinzu: »Ich meine Indianer, nicht Inder.«
    Das Warten ist ebenso aktiv wie vorher das Schweigen; es ist, als bedrängten die Menschen im Saal die schlanke Gestalt von Mrs Roberts ebenso wie die unsichtbaren Geister. Das Warten wird intensiver, und die schwankende Gestalt stellt die Füße weiter auseinander, als wollte sie so das Gleichgewicht halten.
    »Sie schieben und drücken, viele sind unglücklich, der Saal, die Lichter, die Welt, die ihnen lieber ist – ein junger Mann, das dunkle Haar zurückgekämmt, in Uniform, mit Sam-Browne-Gürtel, er hat eine Botschaft – eine Frau, eine Mutter, drei Kinder, eins davon ist hinübergegangen und ist nun bei ihr – ein älterer Herr, Glatze, er war Arzt hier in der Nähe, dunkelgrauer Anzug, ist nach einem schrecklichen Unfall plötzlich hinübergegangen – ein Baby, ja, ein kleines Mädchen, von der Grippe hinweggerafft, sie vermisst ihre zwei Brüder, einer von ihnen heißt Bob, und ihre Eltern – Halt! Halt!«, – ruft Mrs Roberts plötzlich aus und scheint mit ihren ausgebreiteten Armen die von hinten herandrängenden Geister zurückzuschieben – »Es sind zu viele, ihre Stimmen verwirren sich, ein Mann mittleren Alters in einem dunklen Mantel, der einen Großteil seines Lebens in Afrika verbracht hat – er hat eine Botschaft – da ist eine weißhaarige Großmutter, die eure Ängste teilt und euch sagen will …«
    George hört sich die flüchtige Beschreibung der Geister an. Er hat den Eindruck, dass alle lautstark nach Aufmerksamkeit verlangen und darum kämpfen, ihre Botschaften zu überbringen. Ihm kommt eine scherzhafte, aber logische Frage in den Sinn, woher, weiß er nicht, es sei denn als Reaktion auf all diese ungewohnte Intensität. Wenn das wirklich die Geister englischer Männer und Frauen nach ihrem Übergang ins Jenseits sind, dann wissen sie doch sicher, wie man sich ordentlich in einer Schlange anstellt? Wenn sie in eine höhere Seinsweise erhoben sind, warum benehmen sie sich dann wie ein zügelloser Pöbelhaufen? Diese Überlegungen wird er wohl nicht mit seinen Nachbarn teilen, die sich jetzt vorgebeugt haben und die Messingstange umklammern.
    »… ein Mann in einem zweireihigen Anzug zwischen fünfundzwanzig und dreißig, der eine Botschaft hat – ein Mädchen, nein, Schwestern, die plötzlich hinübergegangen sind – ein älterer Herr, über siebzig, der in Hertfordshire wohnte …«
    Die Aufzählung geht weiter, und manchmal löst eine kurze Beschreibung irgendwo einen Aufschrei aus. Die Spannung im Saal ist fieberhaft und überreizt; für George hat sie auch etwas Furchterregendes. Er fragt sich, was das für ein Gefühl sein mag, wenn man in Gegenwart Tausender von einem verstorbenen Angehörigen angesprochen wird. Vielleicht wäre es den meisten lieber, wenn das in der Abgeschiedenheit einer Séance bei Dunkelheit und geschlossenen Vorhängen geschähe. Oder gar nicht.
    Mrs Roberts verstummt erneut. Anscheinend sind auch die sich

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