Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Sächsin, die bei einem Überfall geraubt worden war, und nachdem die Kriegsbande sie eine Zeitlang vergewaltigt hatte, war sie, wirres Zeug stammelnd, nach Ynys Wydryn gekommen, wo Morgan ihren Geist geheilt hatte. Dennoch war sie immer noch ein wenig seltsam - nicht bösartig verrückt, aber über alle Vorstellungen von Torheit hinaus töricht. Sie legte sich zu jedem Mann - nicht etwa, weil sie das wollte, sondern weil sie sich fürchtete, es nicht zu tun , und Morgan konnte sie durch nichts davon abbringen. Jahr um Jahr gebar sie ein Kind, obwohl nur wenige ihrer blondhaarigen Kinder überlebten und jene, die nicht starben, von Merlin als Sklaven an Männer verkauft wurden, die goldhaarige Kinder schätzten. Sebile belustigte ihn, obwohl aus ihrem Wahn nichts von den Göttern sprach.
Ich mochte Sebile, weil auch ich Sachse war und Sebile sich mit mir in meiner Muttersprache unterhielt, so daß ich in Ynys Wydryn mit beiden Sprachen aufwuchs, mit der Sprache der Sachsen und jener der Briten. Eigentlich hätte ich Sklave sein müssen, aber als ich noch klein war, kleiner sogar noch als der Zwerg Druidan, war ein feindlicher Trupp aus Siluria an die Nordküste von Dumnonia gekommen und hatte die Siedlung überfallen, in der meine Mutter Sklavin war. König Gundleus von Siluria hatte den Trupp angeführt. Meine Mutter, die, wie ich vermute, ganz ähnlich wie Sebile aussah, wurde vergewaltigt, während ich zu der Todesgrube geschleppt wurde, in der Tanaburs, Silurias Druide, als Dank an den Großen Gott Bel für die reiche Beute, die ihnen der Überfall eingebracht hatte, ein Dutzend Gefangene opfern wollte. O
Gott, wie gut ich mich an jene Nacht erinnere! An die Brände, die Schreie, die trunkenen Vergewaltigungen, die ausgelassenen Tänze, und dann an den Moment, als Tanaburs mich in das schwarze Loch mit dem angespitzten Holzpfahl schleuderte. Ich überlebte unversehrt und stieg so gelassen aus der Todesgrube, wie Nimue aus dem tödlichen Meer gekommen war, und Merlin, der mich fand, hatte mich als Kind des Bel bezeichnet. Er nannte mich Derfel, gab mir ein Zuhause und ließ mich als freien Menschen aufwachsen. Der Tor wimmelte von solchen Kindern, die den Göttern entrissen worden waren. Merlin hielt uns für etwas Besonderes und meinte, wir würden zu einem neuen Orden von Druiden und Priesterinnen heranwachsen, der ihm helfen könnte, in dem von den Römern verderbten Britannien die alte, die wahre Religion wiedererstarken zu lassen. Doch da er niemals Zeit hatte, uns etwas zu lehren, wurden die meisten von uns Bauern, Fischer oder Ehefrauen. Während meiner Zeit auf dem Tor schien nur Nimue von den Göttern gezeichnet worden zu sein und wuchs zur Priesterin heran. Ich selbst wollte nie etwas anderes sein als Krieger. Diesen Ehrgeiz hatte ich von Pellinore. Pellinore war der Favorit unter allen Kreaturen, die Merlin aufnahm. Er war ein König, aber die Sachsen hatten ihn seines Landes und seiner Augen beraubt, und die Götter hatten ihm den Verstand genommen. Er hätte auf die Toteninsel geschickt werden müssen, wohin die gefährlichen Verrückten gebracht wurden, aber Merlin ordnete an, daß er auf dem Tor behalten werden sollte - in einem kleinen Gehege wie dem, in dem Druidan seine Schweine hielt. Er lebte dort nackt. Sein langes weißes Haar reichte ihm bis an die Knie, und seine leeren Augenhöhlen tränten ständig. Er tobte ununterbrochen, haderte endlos mit seinem Schicksal, doch Merlin hörte sich seinen Unsinn aufmerksam an und destillierte daraus Botschaften der Götter. Alle fürchteten Pellinore. Er war durch und durch verrückt und unbezähmbar wild. Einmal kochte er eins von Sebiles Kindern auf seinem Feuer. Und doch - warum, weiß ich nicht - mochte mich Pellinore seltsamerweise. Ich schlüpfte zwischen den Stangen seines Geheges hindurch, er tätschelte mich und erzählte mir Geschichten von Schlachten und wilden Jagden. Auf mich wirkte er nie wie ein Verrückter, und er verletzte weder mich noch Nimue; doch schließlich waren wir beide, wie Merlin immer wieder betonte, Lieblinge des Bel.
Durchaus möglich, daß Bel uns liebte, aber Guendoloen haßte uns. Sie war Merlins Gemahlin, inzwischen aber alt und zahnlos. Genau wie Morgan konnte sie hervorragend mit Kräutern und Zaubersprüchen umgehen, doch als ihr Gesicht durch eine Krankheit entstellt wurde, hatte Merlin sie verstoßen. Das war lange vor meiner Ankunft auf dem Tor geschehen, in einer Phase, die von allen »die Schlimme
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