Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
am Glücksspiel seiner Männer zu beteiligen. Er erzählte mir jedoch die wahre Geschichte von Prinz Mordreds Tod und damit den Grund, warum Großkönig Uther Arthur verflucht hatte. »Es war nicht Arthurs Schuld«, berichtete Ligessac, während er ein Steinchen auf sein Wurfbrett warf. Alle Krieger hatten Wurfbretter, von denen einige kunstvoll aus Knochen gefertigt waren. »Sechs!« rief er triumphierend, während ich darauf wartete, die Geschichte von Arthur zu hören.
»Ich verdoppele«, sagte Menw, einer aus der Prinzenwache, und warf seinen eigenen Stein. Er rollte über den Rand des Brettes und blieb auf einer Eins liegen. Weil er jedoch eine Zwei gebraucht hätte, um zu gewinnen, raffte er seine Steine vom Brett und fluchte.
Ligessac befahl Menw, seine Börse zu holen, damit er ihm seinen Gewinn auszahlte, dann erzählte er mir, wie Uther Arthur aus Armorica zu Hilfe gerufen hatte, um den riesigen Heerhaufen der Sachsen zu besiegen, der tief in unser Land vorgestoßen war. Arthur war, wie Ligessac sagte, mit seinen Kriegern gekommen, hatte aber seine berühmten Pferde zurückgelassen, denn der Hilferuf war dringend gewesen und hatte ihm keine Zeit gelassen, genügend Schiffe für Mann und Roß zu finden. »Nicht, daß er die Pferde gebraucht hätte«, erklärte Ligessac bewundernd, »denn er hat diese sächsischen Bastarde im Tal des Weißen Pferdes in die Falle gelockt. Dann entschied Mordred, daß er es besser könne als Arthur. Er wollte nämlich die Ehre selbst einheimsen.«
Ligessac wischte sich die laufende Nase, dann blickte er suchend um sich, als wollte er sich vergewissern, daß
niemand zuhörte. »Mordred hatte sich inzwischen betrunken«, fuhr er in etwas leiserem Ton fort, »und die Hälfte seiner Mannen liefen splitternackt herum und schworen brüllend, sie könnten die zehnfache Zahl ihrer Gegner erschlagen. Wir hätten wirklich auf Arthur warten sollen, aber der Prinz befahl uns zu attackieren.«
»Ihr wart da?« fragte ich ihn in pubertierender Bewunderung. Er nickte. »Mit Mordred. Großer Gott, wie die gekämpft haben!
Umzingelt haben sie uns, und auf einmal waren wir fünfzig Briten, die entweder tot oder sehr schnell nüchtern waren. Ich verschoß meine Pfeile, so schnell es nur ging, unsere Speerträger formten den Schildwall, aber die feindlichen Krieger hieben mit Schwertern und Streitäxten auf uns ein. Ihre Trommeln gingen bumm-bumm-bumm, ihre Magier heulten, und ich dachte, ich wäre tot. Ich hatte keine Pfeile mehr und benutzte nur noch den Speer. Es können nur noch zwanzig Mann von uns am Leben gewesen sein, und wir alle waren am Ende unserer Kräfte. Das Drachenbanner war erobert worden, Mordred hauchte blutend sein Leben aus, und wir übrigen kauerten uns zusammen, um auf das Ende zu warten; dann aber erschienen Arthurs Männer.« Er hielt inne und schüttelte bedrückt den Kopf. »Die Barden erzählen, an jenem Tag habe Mordred den Boden mit sächsischem Blut getränkt, mein Junge, aber es war nicht Mordred, es war Arthur. Er tötete und tötete. Er eroberte das Banner zurück, er erschlug die Magier, er verbrannte die Kriegstrommeln, er jagte die Überlebenden bis in die Dunkelheit hinein und tötete ihren Kriegsherrn bei Edwys Felsen im Licht des Mondes. Und das ist der Grund, warum die Sachsen vorsichtige Nachbarn sind, mein Junge: nicht etwa, weil Mordred sie besiegt hat, sondern weil sie glauben, daß Arthur nach Britannien zurückgekehrt ist.«
»Aber das ist er doch nicht«, wandte ich traurig ein.
»Weil der Großkönig ihm nicht erlaubt zurückzukehren. Weil der Großkönig ihm die Schuld gibt.« Ligessac hielt inne und warf einen Blick in die Runde, um sich zu vergewissern, daß
niemand mithörte. »Der Großkönig meint, daß Arthur Mordreds Tod wollte, damit er selber König wird, aber das ist nicht wahr. So ist Arthur nicht.«
»Und wie ist er?« fragte ich ihn.
Ligessac zuckte die Achseln, als wollte er andeuten, die Antwort darauf sei schwierig, doch ehe er antworten konnte, sah er, daß Menw zurückkehrte. »Kein Wort, Junge!« warnte er mich. »Kein einziges Wort!«
Wir alle hatten ähnliche Erzählungen gehört, aber Ligessac war der erste, der mir gegenüber behauptete, an der Schlacht im Tal des Weißen Pferdes teilgenommen zu haben. Später sagte ich mir, daß er nicht dabeigewesen war, sondern nur irgendein Garn gesponnen hatte, um sich von einem leichtgläubigen Knaben bewundern zu lassen, doch sein Bericht war einigermaßen genau. Mordred
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