Aschenpummel (German Edition)
Finger. Er näht die Finger an die Füße und die Zehen an die Hände. Ich bin der Ohnmacht nahe, es wäre eine Gnade, endlich das Bewusstsein zu verlieren, doch das Adrenalin hält mich wach. Er weidet meine … Eingeweide aus … oder so ähnlich …
Mir war schlecht. Ich setzte mich auf den Badewannenrand und hätte am liebsten angefangen zu heulen. Nur eine absolut Wahnsinnige ging in der Nacht in die Wohnung eines fremden Mannes. Oder? Denn in Wahrheit war er doch genau das für mich. Ein Fremder. Vielleicht konnte ich ihn anrufen und den Treffpunkt ändern. Alles wäre besser, von mir aus auch ein Stundenhotel, nur bitte, bitte, irgendwas, wo wir zusammen gesehen wurden! Ich rannte ins Wohnzimmer, griff mir das Telefonbuch und blätterte fieberhaft in den Seiten. Da, Dr. Hubertus Strohmann. Ich fingerte an den Tasten herum und schaffte es beim vierten Mal, die richtige Nummer einzutippen.
»Strohmann?«
»Hallo, Hubertus.«
»Teddy! Sie sagen doch wohl nicht ab?«
»Nein, auf keinen Fall. Ich wollte nur fragen, ob wir uns nicht vielleicht in einem Lokal treffen wollen? Dann müssten Sie sich keine Umstände machen in Ihrer Wohnung.«
»Teddy, wo denken Sie hin? Ich habe den ganzen Tag in der Küche gestanden, um Ihnen ein exquisites Mahl zuzubereiten. Sie müssen zu mir kommen!«
»Oh toll, ja dann, bis später.«
»Bis gleich, liebste Teddy.«
Ich klappte mein Handy zu und sank zu Boden. Ein exquisites Mahl. Das könnte auf Gift hindeuten oder auf Menschenfleisch. Fleisch von anderen Frauen, die er umgebracht hatte. Das machten zumindest die Serienmörder in der Jetzt so.
Es gab nur eine Möglichkeit, wie ich mich schützen konnte: ich musste jemandem erzählen, wo ich hinging. Ich wählte Giselas Nummer, doch da meldete sich gleich die Mailbox. Kurz überlegte ich, ob ich Vanessa anrufen sollte oder Be-De oder sogar Tissi, doch die Aussicht, einer von ihnen meine Paranoia zu gestehen, war nicht gerade prickelnd. Und warum sich mit Amateuren abgeben, wo es doch Profis gab? Mit zittrigen Fingern blätterte ich noch einmal im Telefonbuch und wählte schließlich eine Nummer.
»Polizeistation Döbling, Ewald Bauer am Apparat.«
»Grüß Gott, mein Name ist Kis.«
»Sprechen Sie lauter, ich versteh Sie kaum.«
»Mein Name ist Kis. Ich, ich wollte nur sagen, dass es sein kann, dass ich heute Nacht noch Hilfe benötige.«
»Haben Sie Eheprobleme, Frau Kis?«
»Nein, nein. Ich bin heute Abend bei einem Mann eingeladen, der ein, ähm, komisches Interesse an mir hat.«
»Ahaaaa.«
»Ja, also, wenn Sie ihn sehen würden, und dann mich sehen würden, dann würden Sie verstehen, warum sein Interesse komisch sein muss.«
»Ich sehe weder Sie noch ihn, Frau Kis«, Ewald Bauer klang etwas gelangweilt, »also erklären Sie mir bitte in wenigen Worten die Situation.«
»Die Situation ist, dass er sehr erfolgreich und gutaussehend ist.«
»Bedenklich.« Irgendwie hatte Bauers Tonfall auf einmal was Ironisches.
»Ja, und ich bin jetzt nicht so der Typ Frau, dem Männer sonst nachlaufen.«
Bauer hüstelte. »Frau Kis, nur unter uns, und bitte, nicht falsch verstehen, verarschen Sie mich gerade?«
»Nein! Ich weiß ja, es klingt seltsam, aber was soll ich tun? Er kann gar kein Interesse an mir haben, verstehen Sie? Und trotzdem lockt er mich in seine Wohnung.«
»Und was soll ich in dieser Angelegenheit tun?«
»Ich wollte nur fragen, ob es momentan irgendwelche unaufgeklärten Morde in Wien gibt. Gibt es einen Serienmörder, der frei herumläuft?«
»Gnä’ Frau«, sagte Bauer. »Unter uns, dieses Telefonat ist äußerst grotesk, um nicht zu sagen, fast schon verdächtig. Frau Kis, zwei Möglichkeiten: Entweder wir beenden das jetzt und tun so, als wäre nie was gewesen, oder aber Sie kommen hierher auf die Polizeiwache und machen eine Aussage. Und noch mal unter uns: Ich bin müde und um viertel Neun spielt Bayern gegen Liverpool. Ich denke also, dass wir beide kein Interesse daran haben, die Sache zu intensivieren.«
Jetzt heulte ich tatsächlich. »Ich will doch nur – dass Sie – wenn Sie hören, dass ich – tot bin, dass Sie dann – wissen, dass es der – Zahnarzt Dr. Stroh – mann war. Ok – ay?«
»Okay, Frau Kis, ist alles notiert.«
»Daaanke«, schluchzte ich und hörte am Knacken in der Leitung, dass Ewald Bauer beschlossen hatte, das Gespräch zu beenden.
Ich sah in den Spiegel. Wimperntusche bis zum Kinn. Ich sah jetzt schon aus wie eine Leiche.
Um acht stand ich vor
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