Ash
nicht infrage.“
Leyla sieht ihn genervt an. „Du bist kaum in der Lage, das zu entscheiden, Ash. Wenn wir es nicht tun, stirbst du.“
„ Dann ist es eben so ...“, presst er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Ich glaube, meinen Ohren nicht zu trauen! Ich verstehe Ash immer weniger. Wir wollten doch den Blutvertrag – beide. Warum will er jetzt auf einmal nicht mehr? Doch dieses Mal – das ist mir klar – kann er kaum mit seiner Überlegenheit aufwarten. Ich sehe Leyla fest in die Augen. „Wir fahren zu euch.“
Ash packt mich am Arm. Entsetzt stelle ich fest, wie kraftlos sein Griff ist. Er sieht mich an, und in seinen Augen sehe ich etwas, das mir zuvor noch nicht aufgefallen ist – Angst! Eine tiefe innere Angst. „Du hast noch nie gespendet. Und wenn du nicht langsam und vorsichtig damit anfängst …“
„ Ja, ich weiß … dann werde ich abhängig … das ist aber im Augenblick meine geringste Sorge.“
„ Nein ...“, unterbricht er mich, und seine Stimme ist kaum noch mehr als ein Flüstern. „... es kann sein, dass du transformierst … dein Körper reagiert viel stärker als der eines konditionierten Spenders …“
Ich sehe Leyla an, die meinem Blick ausweicht. Also sagt Ash die Wahrheit. Dann aber wird mir klar, dass mir auch das egal ist - wenn die Alternative ein Leben ohne Ash wäre. Ich nehme seine Hand und flüstere: „Ich habe meine Entscheidung getroffen … mit allen Konsequenzen.“
Ash will abwehren, doch er ist viel zu schwach dazu. Ich halte seine Hand, während das Energycar uns durch Daytowns Straßen zu Sarons und Leylas Haus bringt.
Wir legen Ash auf das Bett im Gästezimmer, und Saron legt seinen Arm frei. Während Leyla aus Ashs Rucksack den Schlauch mit den Injektionsnadeln holt, betrachte ich die unversehrte Haut in meiner Armbeuge ein letztes Mal. Es tut mir nicht leid, dies aufgeben zu müssen … nicht für Ash.
„ Scheint nicht so, als hätte Ash das Zeug oft benutzt. Ich frage mich, wie er seinen Hämopholspiegel die ganze Zeit ohne einen Spender geregelt hat.“ Sie holt Desinfektionsalkohol und einen Riemen aus dem Rucksack, mit dem sie das Blut in meinem Arm staut. Dann legt Saron zuerst Ash, dann mir die Nadeln in den Arm. Es tut nicht weh – piekst nur kurz.
Als Leyla den Riemen löst, schießt mein Blut in den Schlauch bis zu der kleinen Klemme. Von der anderen Seite fließt Ashs Blut in den Schlauch. Jetzt ist es nur noch die Klemme, die unser Blut voneinander trennt.
Leyla grinst, als sie mein blasses Gesicht sieht. „Ich wünsch dir einen angenehmen Flug ...“ Dann löst sie die Klemme. Wenige Sekunden später habe ich das Gefühl, mit dem Kopf gegen eine Wand zu knallen. Ich lasse mich der Länge nach auf das Bett fallen und liege neben Ash, der sich nicht rührt. Gott, was ist das? Ich tauche in Eindrücke, die nicht meine eigenen sind, empfinde Gefühle, von denen ich weiß, dass sie jemand anderem gehören. Plötzlich wird mir klar, dass es Ashs Gefühle sind, die auf mich einstürmen. Was ich zu fühlen bekomme, ist so vielfältig, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte. Da ist der Hass auf Seth … so groß und raumgreifend, dass es mir Angst macht … doch da sind auch andere Gefühle … Angst, Einsamkeit … Hoffnung …
Und noch ein Gefühl kann ich aufschnappen … und dieses ist das Schönste von allen. Es ist wie eine warme Welle, die mich mitnimmt und fortträgt, umfängt und festhält. Und ich verstehe in diesem Augenblick, dass es das Gefühl ist, das Ash mit mir verbindet. Wenn es ein Gefühl gäbe, mit dem ich Liebe beschreiben könnte, dann würde es sich ganz genau so anfühlen. Ich versuche, dieses Gefühl festzuhalten und tiefer darin einzutauchen … doch plötzlich endet meine Reise unerwartet.
Ich reiße die Augen auf … und spüre einen stechenden Schmerz, der meinen gesamten Körper erfasst.
Ich bin wieder zurück … zurück in Sarons und Leylas Haus. Ich liege auf dem Gästebett. Über mir erkenne ich Leylas Gesicht. Sie sagt etwas zu mir … rüttelt mich an den Schultern. Ich würde ihr ja antworten, dass alles ok ist, dass ich noch da bin, aber die Wahrheit ist, dass ich mich nicht bewegen kann. Stattdessen spüre ich, wie ich krampfe. Ich will atmen, doch auch meine Lungenflügel wollen mir nicht gehorchen. Panik erfasst mich … wie kann etwas, das so schön war, so furchtbar enden?
Dann, wie durch ein Wunder, sehe ich Ashs Gesicht über mir – noch gezeichnet von dem Blutverlust,
Weitere Kostenlose Bücher