Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
Kämpfe, verdammt! Mach es ihnen nicht so leicht.
Sie umklammerte die Flinte fester, doch dann fiel ihr plötzlich Spinnes überraschte Miene ein, als die Browning nicht abgefeuert hatte. Sie war mit 270er-Winchester-Short-Magnum-Patronen geladen, eine davon bereits in der Kammer, sie hatte es mit eigenen Augen gesehen. Wenn sie noch einmal auf den Abzug drückte, konnte es gut sein, dass ihr die Waffe in der Hand explodierte. Auch so waren schon Leute gestorben. Zwar könnte sie das Gewehr als Knüppel benutzen und sie sich damit vom Leib halten, aber irgendwann würde sie müde werden, die brauchten nur abzuwarten.
Es muss eine andere Möglichkeit geben. Die nutzlose Waffe glitt ihr aus den Händen. Es muss etwas geben, was ich tun kann. Aber was? Sie waren in der Überzahl. Und so wie es hier auf der Lichtung aussah, hatten sie dieses Szenario schon hundertmal durchgespielt. Na ja – sie warf einen Blick auf die röchelnde Spinne – , vielleicht auch nicht. Doch dass sie mit Spinne fertig geworden war, hatte ihr lediglich ein bisschen Zeit verschafft.
Aber jede Sekunde, die ich länger lebe, ist eine Sekunde, in der mir etwas einfallen kann. Alex beobachtete, wie die anderen ohne das geringste Zögern um das bewusstlose Mädchen herumstapften – schweigend und unerbittlich, umgeben von dieser merkwürdigen Wolke aus heißem Terpentin und Harz, durchsetzt von Verwesungsgeruch, die sie irgendwie eisern zusammenzuschweißen schien.
Gut, sie akzeptierte, dass es keinen Ausweg gab. Selbst wenn sie losrannte. Der Schnee hinter ihrem Halbkreis war zu tief. Gab es eine Möglichkeit, sie zu überraschen, so wie Spinne? Konnte sie etwas tun, womit sie nicht rechneten? Das könnte funktionieren, insbesondere wenn sie an eine Waffe kam … Aber was taugte zu einer? Komm, mach schon, denk nach! Ein weiterer rascher Schritt zurück, und sie spürte die Reste der Pyramide im Rücken. Jetzt waren die Veränderten so nah, dass Wolf ihre Hand hätte ergreifen können.
Aber nur, wenn er vorher Spinnes Messer beiseitegelegt hätte.
4
I hr gefror das Blut in den Adern. Die Hüfte an den halb eingestürzten Haufen aus gefrorenen Fleischresten und Knochen gepresst versuchte sie, nicht mit der Wimper zu zucken, als Wolf sie von Kopf bis Fuß musterte. Er atmete tief ein, und seine Nasenflügel weiteten sich, als er ihrem Geruch nachspürte. Im nächsten Augenblick fuhr seine allzu leuchtend rosafarbene Zungenspitze aus dem Mund und glitt langsam und genießerisch über seine Lippen.
O Gott. Wolf nahm eine Geruchsprobe von ihr, er schnupperte genüsslich wie eine Schlange angesichts ihrer Beute. Kurz spähte Alex zu den anderen. Sie alle standen mit offenen Mündern da und ließen sich ihr Aroma auf den heraushängenden Zungen zergehen. Mit aller Kraft unterdrückte sie den Impuls zu schreien, ihr Atem ging schneller und schneller. Nein, nicht. Sie zwang sich, Ruhe zu bewahren . Das ist genau das, was sie wollen, du sollst in Panik geraten. Komm, bleib stark, vermassel es nicht!
Wolf rückte näher. Alex spürte, wie er vor Erwartung bebte, sie sah es an seiner Körperhaltung, roch seine Gier und nahm wahr, wie er sie taxierte, quasi mit Blicken auszog. In seinen Augen spiegelte sich mehr als Hunger: Das war Besitzerstolz, abgrundtief und primitiv, sinnlich und grauenvoll. Er will mich, und er kriegt mich, er …
Da geschah etwas sehr, sehr Merkwürdiges.
Einen winzigen Moment, so flüchtig, dass es mehr eine Ahnung als ein richtiger Gedanke war, stand ihr ein Bild vor Augen – sie, ausgestreckt im Schnee, ohne Kleider, und Wolf, der sich über sie beugte und mit der Zunge über jeden Zentimeter ihrer nackten Haut fuhr –, und sie spürte , wo seine Hände federleicht ihre Glieder entlangfuhren …
Nein! Keuchend duckte sie sich weg, suchte Abstand zu der Szene, die sich in ihrem Kopf abspielte, und zu dem Jungen. Verschwinde aus meinem Kopf! Raus! Im nächsten Augenblick kam sie mit einem Ruck, so abrupt wie eine Ohrfeige, wieder zu Sinnen. Ihre Wahrnehmung schärfte sich, wurde glasklar, und sie merkte, dass sie eisiges Gebein umklammerte.
Und dann bewegte sich der Schädel in ihrer rechten Hand.
»Aaahh!« Ein wilder, unartikulierter, wütender Schrei.
Wolfs Arm hob sich bereits, Stahl blitzte auf, doch jetzt hatte sie diesen Schädel und schwang ihn mit aller Kraft. Schlag ihn nieder, und wenn er das Mes…
Da traf ein Schlag ihre rechte Schläfe, so tückisch und unvermutet, dass ihr schwarz vor Augen wurde und
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