Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)
Blick sehen.« Manchmal fragte er sich, ob es nur Erinnerungen waren, die sie vor Augen hatte. Angesichts dessen, was da in ihrem Kopf lebte, gab es immer noch eine andere Möglichkeit – zu bedrückend, um lange darüber nachzudenken. »Tom verbringt jeden Abend mit ihr. Mit ihm redet sie. Er versteht sie weit besser, als ich es je könnte.« Der leise Schmerz darüber ließ nie ganz nach. Alles, was er im Gefängnis von Rule zu Tom gesagt hatte, war sein voller Ernst gewesen. Tom und Alex waren einfach … füreinander geschaffen. »Tom sagt, es ist, als kehre Alex aus einem langen Krieg zurück. Das kann ich nachvollziehen. Sie hat monatelang mit den Veränderten zusammengelebt. Und sie macht sich wirklich etwas aus Simon.«
»Aber Simon hat dein Gesicht. Sie hätte sich nie erlaubt, etwas für ihn zu empfinden oder gar ihr Leben für ihn zu riskieren, wenn sie nicht ebenso für dich empfinden würde.«
»Das weiß ich. Wir sind wohl so etwas wie eine Familie. Tom sagt, sobald du deine Leute gefunden hast, hast du dich selbst gefunden. Aber … ich bin mir noch nicht sicher.«
»Ich dachte, du magst Jayden.«
»O ja, er ist toll. Ich bin heilfroh, dass er diesen Vorschlag gemacht hat. Abgesehen von allem, was passiert ist, wäre ich nie mit Hannah klargekommen. Sie ist zu dominant. Ich möchte an einem Ort leben, den ich mir selbst geschaffen habe, wo ich versuchen kann, diesmal alles richtig zu machen, ins Gleichgewicht zu kommen. Und wo ich es möglichst vermeiden kann, ein Veränderter zu werden oder auf ihrer Speisekarte zu landen.«
»Beides wird noch lange ein Problem sein, aber nicht ewig. Die Veränderung ist eine Sackgasse, Chris. Es ist keine Krankheit, sie geht auf ein Ereignis zurück. Die Einzigen, die sich ab jetzt noch verändern werden, sind Kinder wie Ellie – die damals noch zu jung gewesen ist – oder Jugendliche wie du, bei denen die Veränderung irgendwann in der Zukunft noch einsetzen kann.«
»Wie beruhigend. Danke.«
»Aber es ist die Wahrheit. Dann gibt es noch solche wie Pennys Baby. Entweder wird es gleich als Verändertes geboren oder aber nicht. Finn hat mal darüber gesprochen und gemeint, dass diese Babys, wenn sie unverändert sind, wohl nicht lange leben würden, weil ihre Eltern sie gleich auffressen.«
»Hör auf. Sie sind doch keine Wüstenspringmäuse.«
»Die meisten Säugetiere töten geschädigte Nachkommen. Aber angenommen, sie überleben. Dann gleichen sie in nichts ihren Eltern. Sie können sich vielleicht nicht einmal mit ihnen verständigen. Alles, was sie mit ihnen gemeinsam haben werden, ist, dass sie Menschen fressen. Aber das ist dann ein Verhalten, Chris, nicht Schicksal. Selbst die Veränderten könnten anderes Fleisch essen, und auch Pflanzen; ihr Verdauungssystem hat sich nicht verändert, nur ihr Hirn. Für sie allerdings ist es unumkehrbar.«
Na ja … vielleicht. Da gab es Simon, aber das war wohl nur Wunschdenken. Wie sollte man so etwas überhaupt überprüfen?
»Jedenfalls sind die Veränderten dem Untergang geweiht«, sagte Peter. »Entweder bringt ihr sie um oder ihre Kinder erledigen das oder sie töten ihre unveränderten Kinder, um sich selbst zu retten. Ohne Nachkommen aber sind sie als Spezies erledigt. Was ich damit sagen will: Ja, pass auf, dass du nicht gefressen wirst, aber bau nicht allein auf diesem Gesichtspunkt deine Zukunft auf.« Peter drückte wieder Chris’ Schulter. »Chris. Du solltest mit ihnen nach Copper Island gehen. Hannah wird nicht dort sein. Trau dich zu leben. Vergiss für einen Moment die Landwirtschaft, und wie hart das Überleben die ersten Jahre sein wird. Denk an die Universität, an die Bibliothek, die Bücher. Professoren räumen ihren Lehrstuhl erst, wenn sie tot umfallen. Vielleicht leben manche noch, die können dir helfen. Du brauchst das genauso dringend wie die Kinder, vielleicht noch mehr. Denn du und Tom und Alex und Kincaid und Pru, alle Älteren … ihr müsst jetzt die Lehrer sein. Nicht nur für die praktischen Dinge wie Ackerbau und Viehzucht und wie man ein Haus baut …
»Was ich alles nicht weiß.« Chris kaute ein Stückchen Baguette und spürte dem Geschmack genüsslich auf der Zunge nach. »Oder wie man Brot backt.«
»Aber du kannst es lernen. Ich meine das ernst. Das Mittelalter war aus vielen Gründen finster, aber hauptsächlich, weil die Kirche alles kontrolliert und Bücher verbrannt hat. Die Menschen haben aufgehört zu lernen und vergessen, wie man träumt. Ja,
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