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Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Titel: Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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rasiermesserscharfen Fels gekrallt und auf einer schmalen Metallschiene balancierend, während die Wände des Gangs erzitterten und Wasser um ihre Knie wirbelte und toste. Die Erschütterungen waren nun viel stärker als vorhin, die Felsgrate schnitten ihr in die Finger. Wenn das Wasser bis in die kleinsten Ritzen und Spalten vordrang und sich die Erde ständig hob und senkte, musste das Gestein früher oder später mürbe werden. Vermutlich blieb ihr nicht mehr viel Zeit.
    »Okay, dann mal los, Alex«, flüsterte sie sich zu. »Mach voran, Schätzchen. Hier kannst du nicht bleiben.« Aber, mein Gott, sie hatte solche Angst! Sie begann zu schlottern, ihre Augen wurden feucht, dann kullerte die erste Träne über ihre rechte Wange. Nicht heulen, komm, hör auf …
    Plötzlich schwanden ihr die Sinne. In ihrem Kopf regte sich das Monster, es reckte und streckte sich. Unter ihren Händen schien sich der Stein aufzulösen, während sich vor ihrem inneren Auge ein schwarzes Nichts auftat.
    Nein, nicht jetzt. Der Schwächeanfall ließ ihre Knie weich werden. Wo ich es doch schon so weit geschafft habe …
    Da kroch eine Hand auf ihre Schulter.

4
    Die Berührung riss Alex schlagartig ins Hier und Jetzt zurück. Kreischend zuckte sie zusammen. Ihr linker Fuß glitt vom glitschigen Metall wie bei einer Comicfigur, die auf einer Banane ausrutscht. Nun ruhte ihr ganzes Gewicht auf dem angeknacksten rechten Sprunggelenk. Wieder schrie sie auf, diesmal vor Schmerz. Rote Punkte tanzten vor ihren Augen. Aus dem Gleichgewicht geraten, suchte sie Halt, ihre Fingernägel kratzten panisch über das Gestein. Gerade als sie herunterzufallen drohte, packte die Hand auf ihrer Schulter ihren Parka und zog sie zurück. Zittrig richtete sie sich auf dem wackeligen Uzi-Metallvorsprung wieder auf.
    »Nein«, keuchte sie erschrocken, während sich ihr Herz verkrampfte. Denn jetzt fügten sich die Teile zusammen. Alles passte: ihre Bewusstseinsentgleisungen, das plötzlich erwachte Monster, dieses Gefühl von Enge und die geisterhaften Schatten über ihrem Kopf.
    Und dieser Geruch. Vorhin hatte sie ihn nicht bemerkt, denn sie war ja vollauf damit beschäftigt gewesen, ums Überleben zu kämpfen. Aber jetzt war er unverkennbar: Kadaver- und Verwesungsgestank.
    Und Schatten. Kühler Dunst. Eine Dunkelheit, schwärzer als sternlose Nacht.
    »O mein Gott«, wisperte sie. »Wolf.«

5
    Aus dem Dunkel tauchte ein grellgelber Lichtkegel auf. Alex blinzelte und hätte die Augen mit der Hand abgeschirmt, wenn sie nicht beide Hände zum Festhalten gebraucht hätte. Erst im Nachhinein wurde ihr klar, dass das Licht wohl für sie gedacht war, denn die Veränderten sahen sehr gut im Dunkeln. Sie erblickte Wolf, der sich mit gespreizten Beinen an einem Felsen abstützte und in einem aus grobem Seil gefertigten Klettergurt hing, mit Halteschlaufen für die Oberschenkel.
    Er hat mich gewittert, so wie ich vorhin ihn gerochen habe. Und jetzt kommt er mich holen . War er ihr und den anderen schon die ganze Zeit gefolgt? Gut möglich. Die Veränderten bewegten sich immer auf einer bestimmten Route, gehorchten einem gleichbleibenden Muster. Vielleicht wollte Wolf einen günstigen Zeitpunkt abwarten, und als er sah, dass sie noch lebte, überlegte er, wie er sie rausholen konnte. Vor dem EMP , als Wolf noch Simon Yeager hieß, waren er und seine Freunde wohl oft beim Felsenklettern im Bergwerk von Rule gewesen und kannten es deshalb in- und auswendig …
    Tom . Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Dort oben war Tom gewesen. Er hatte zu ihr hinuntergerufen, und dann hatte sie Schüsse gehört. »Hast du ihn umgebracht?« Ihre Sorge um Tom wurde so mächtig, dass es ihr schier das Herz zerriss. Lag Tom jetzt ihretwegen dort oben tot im Schnee? »Wenn du ihn umgebracht hast, wenn du ihm irgendwas angetan hast …«
    Wolf sagte nichts. Er konnte ja nicht. Aber jetzt, so nah, roch sie neben all diesem nebelhaften Dunkel und den Schatten noch etwas anderes: etwas Süßes und … Liebliches, ein Hauch von Flieder und Geißblatt. Und für einen Sekundenbruchteil blitzte in ihrer Erinnerung das Gesicht ihres Vaters auf: Spring zu mir runter, Schatz.
    »Geborgen.« Das Wort rutschte ihr einfach heraus. Einen Moment lang hatte es keine Bedeutung mehr, wo sie war und was mit ihr geschah. Als hätten sie und Wolf sich in einen stillen, sanft beleuchteten Raum zurückgezogen, der ganz allein ihnen gehörte. Mehr als geborgen … »Zuhause«, hauchte sie. »Familie?«
    Der

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