Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)
was.«
»Warum glaubst du das?«
»Weil Peter danach sein Studium abgebrochen hat«, sagte sie. »Und ungefähr sechs Monate später hat Simon versucht, sich umzubringen.«
63
Alex setzte sich auf die oberste Stufe des Weges zum Bootshaus, um ein paar Minuten ungestört zu sein. Prustend und schnaufend wie Emma die Lokomotive hatte Darth schon die halbe Strecke zum Haus zurückgelegt. Vielleicht wollte er ihr auch Gelegenheit zu einem Fluchtversuch geben, damit er sie erschießen und dann fressen konnte, ehe er Fragen stellen musste.
Du hast den Verstand verloren, Schätzchen. Sie lehnte sich an eine knorrige Rotkiefer. Die Pistole drückte ihr ins Kreuz. Die Spritze mit der Schutzkappe hatte sie in die Hosentasche gesteckt. Was dachte sie sich eigentlich dabei? Wolf schlief immer in ihrer Nähe. Wenn er die Pistole erschnüffelte oder ertastete, war sie geliefert.
Bisher waren ihre großen Pläne nur Hirngespinste von einer ach so wagemutigen Flucht gewesen. Aber jetzt hatte sie eine echte Waffe. Zwei sogar, wenn sie das Tanto dazurechnete. (Bei der merkwürdigen Spritze mit den Federn hintendran war sie nicht so sicher. Ob man sie wohl werfen konnte wie einen Pfeil beim Darts? Dann durfte sie aber nicht lange fackeln. Wenn sie es richtig anpackte – jemanden blendete, ein paar Veränderte in Brand setzte –, konnte sie sich Gewehre schnappen, echte Knarren. Übrigens hätte sie Darth gleich unten im Bootshaus erschießen können. Natürlich war eine Riesenpatrone in einer kleinen Pistole sehr laut – trotzdem, sie hätte ihm sein Gewehr abnehmen und türmen können, bevor jemand mitbekam, was los war. Und wenn sie ihnen tatsächlich in die Parade fahren wollte? Dann am besten das Haus anzünden. Mit den Propangaskartuschen, die sie gefunden hatte, und dem knochentrockenen, harzigen Kiefernholz konnte man ein prima Feuerwerk zünden – was sprach dagegen?
Was ist los mit mir? Wolf ist nicht da. Es ging also nicht darum, dass sie womöglich ihn verletzen oder töten würde. Aber wer immer den Anschlag überlebte, könnte an Wolf Rache nehmen. Das ginge dann auf ihr Konto. Na und?
Erschöpft von dieser endlosen Gedankenspirale griff sie in ihren Parka, holte den Schokoriegel heraus und inhalierte Erinnerungen. Spring, Schatz. »Einverstanden, Dad.« Sie schob ein kleines Stückchen Schokoriegel auf ihre Zunge. »Leb noch ein bisschen.«
Warum sich wegen Wolf den Kopf zerbrechen? Wie lange sollte sie ihm noch dankbar sein? Wolf war nicht Chris. Sie fing schon an, sich zu verhalten wie diese Entführungsopfer … wie hieß das noch gleich? Stockholm-Syndrom? Sympathie für den Teufel trifft es eher. Sie kaute auf Kokosflocken herum. Was soll dieses »Ich habe einen Zombie geküsst, und es hat mir gefallen«-Gehabe? Er hat ein Stück von deiner Schulter gefressen, um Himmels willen. Und wenn er dich jetzt auch beschützt, na und? Er hat dich ja überhaupt erst in diese Lage gebracht …
Plötzlich erstarrte sie. Hallo. Dieser vertraute und doch so merkwürdige Geruch – ein Wolf und doch kein Wolf – war ganz nah, viel näher als je zuvor. Direkt hier, praktisch vor ihrer Nase. Mist! Ein Tier, das auf leichte Beute hoffte? Sie war allein, wie auf dem Präsentierteller. Hilfe, auf die sie zählen konnte – haha! – war zu weit weg, selbst wenn sich Darth die Mühe machen würde.
Ganz ruhig bleiben. Der Geruch hatte sich nicht verstärkt , war nicht bedrohlich geworden, aber sie merkte, wie ihr Herz anfing zu galoppieren. Forschend wanderte ihr Blick vom unberührten Schnee zum dichteren Grün des Waldes und einem Vorhang tief hängender Kiefernäste – und da war es, so reglos, dass sie, wäre sein Geruch nicht gewesen, nicht gewusst hätte, wo sie suchen sollte.
Was, dachte sie, bist du?
64
Eine Leuchtpistole? Seufzend rieb sich Chris die schmerzenden Schläfen und ließ sich tiefer ins Bett sinken. Was zum Teufel hatte Penny sich dabei gedacht?
Er war wieder allein. Hannah hatte ihn vor knapp einer halben Stunde eingeschlossen, jedenfalls sagte das die alte Uhr. Er hörte, wie sie unten in der Küche hantierte, hörte Teller klappern und Gläser klirren, während sie Essen für Isaac herrichtete, der im Stall bei den lammenden Schafen war. Chris’ Mahlzeit stand noch auf dem Tisch. Wahrscheinlich sollte er lieber essen, aber bei der Vorstellung, sich aus dem Bett zu schleppen, stöhnte er nur und zog sich das Kissen über den Kopf, um die Nachmittagssonne nicht sehen zu müssen. Nach zwei
Weitere Kostenlose Bücher