Astrilandis Buch 1
Grasschuhe beim Kampf mit den Wölfen verloren und überquerte barfuss die Geröllhalde. Seine Fußsohlen bluteten bereits nach den ersten Schritten, doch er biss die Zähne zusammen, um seinen Freunden nicht zu zeigen, wie schwer es ihm fiel, weiter zu gehen. Sie erreichten den Talabstieg in der gleißenden Mittagshitze und erlebten einen Ausblick, der so schön war, dass sie die Gefährlichkeit der Schlucht für den Augenblick vergaßen. Sie blickten auf viele schmale Windungen des Flusses, darüber ein Wassernebel, der mehrere Regenbogen hintereinander enthielt. Ein Farbspiel von gelb über orange, rot und blau bis lila füllte die Schlucht aus. Es war wie eine Märchenwelt, in der nur Fabelwesen leben konnten. In diesem Gebirge, das von vielen Tälern durchfurcht war, hoffte Hero Mita und ihre Mutter zu finden. Am Ende der Schlucht erhob sich der dunkle Berg mit Windurs Felsenburg, die schemenhaft als Schattenriss am Horizont zu sehen war. Sie tauchten ein in diese Wunderlandschaft und schon nach kurzer Zeit fühlten sie die Kühle des Wassernebels auf der Haut. Langsam und vorsichtig gingen sie bergab in die Schlucht. Der Pfad war steil, so dass sie nur sehr langsam und vorsichtig weitergehen konnten. Hero wollte am Fuße der Schlucht, die sich mehrfach verzweigte, die nördliche Richtung nehmen, weil dort die meisten Ansiedlungen waren. Wegen der heißen Sommer hatten die Bergbewohner ihre Dörfer alle an die kühlere Nordseite der Berge gebaut. Dort flossen auch im Sommer Bäche zu Tal, die von den Bewohnern in kleinen Stauseen aufgefangen wurden, um ihre Schafe und Ziegen zu tränken. Die Menschen im Wolfsgebirge lebten als Hirten und zogen mit ihren Schaf- und Ziegenherden durch die Täler und über die niedrigen Anhöhen, wo Gras und nahrhafte Kräuter wuchsen. Es war ein friedliches Volk mit roten oder blonden Haaren und einer sehr hellen Haut. Niemand wusste, warum sich dieser Volksstamm so stark von den Astrilandiern unterschied.
Hero musste wieder an Mita denken, die er seit dem Frühjahr nicht mehr gesehen hatte. Ob sie auch noch an ihn dachte? Ihr helles Lachen klang ihm noch im Ohr, doch ihre letzte Begegnung im Haus ihrer Eltern, als sie ihm mit tränenverschleiertem Blick nachsah und sich dann wortlos abgewandt hatte, konnte Hero nicht vergessen. Noch immer fühlte er einen Stein in seiner Brust, wenn er sich diesen Augenblick ins Gedächtnis rief. Er hätte sie niemals fortgehen lassen dürfen. Sie jetzt wieder zu finden war seine einzige Hoffnung.
Ipmeos und Kanto hatten talabwärts die Führung übernommen. Sie gingen noch immer zu Fuß, damit die Pferde, die ein solches Gelände nicht gewohnt waren, nicht ins Straucheln kamen. Je weiter sie hinabstiegen, desto dichter wurde der Nebel. Die glitschigen Steine glänzten und der schwarze Fels an den Seitenwänden der Schlucht war völlig mit Moos bewachsen. Der tosende Fluss, dem sie bis hierher gefolgt waren, verschwand urplötzlich in einer Felsspalte, um unterirdisch weiter zu fließen. Nur noch ein leises Gurgeln war zu hören. Sie kamen viel zu langsam voran. Hero rief seinen Freunden zu: „Könnt ihr nicht ein wenig schneller gehen? Die Schlucht ist noch so lange, dass wir in diesem Tempo einen ganzen Tag brauchen werden, bis wir zur Nordabzweigung kommen!“
Seit sie aus der Ebene von Plessos aufgebrochen waren, um in dieses fremde Land zu gehen, waren die Freunde immer stiller geworden. Hero fühlte, dass sie nur noch widerwillig voran gingen und ihnen jeder Schritt, der sie weiter von Astrilandis entfernte, schwer fiel. Ihre Vorräte waren fast aufgebraucht und schon bald würden sie auf Kantos Jagdkünste angewiesen sein. Hero setzte sich wieder auf Volcano und trieb ihn an, Ipmeos und Kanto zu überholen. Er musste die Führung übernehmen, um den Freunden zu zeigen, dass es jetzt kein Zurück geben konnte.
Hero bedauerte, dass er die beide im Unklaren gelassen hatte, als er sie im Palast um ihre Begleitung gebeten hatte. Mit keinem Wort hatte er erwähnt, welches Abenteuer ihnen bevorstand. Ihre Freude darüber, den Palast einmal hinter sich zu lassen, hatte sich in Angst verwandelt und die große Entfernung von zu Hause beunruhigte sie immer mehr. Mit jedem Schritt entfernten sie sich weiter von vertrauten Gegenden und Astrilandis. Aber sie wagten nicht, Hero die Wahrheit zu sagen. Sie konnten den Freund nicht im Stich lassen. Diese Schlucht, die links und rechts von hohen Felsen gesäumt war, schüchterte sie noch mehr ein. Es
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