@ E.R.O.S.
sich verändernden Entfernungen kommt es zu einem Dopplereffekt. Berkmann dreht meinenStuhl nach rechts, zu der Wand, an der meine Gitarren hängen. Welche niederträchtigen Gedanken gehen ihm wohl durch den Kopf? Vielleicht denkt er über meinen nächsten Schachzug nach, oder er fragt sich, was mit seinem Lieblingsurinal im Wert von achtzehntausend Dollar geschehen ist. Jede Faser meines Gehirns rät mir zur Flucht, doch statt dessen hebe ich mit zitternden Händen den .32er und warte darauf, daß er sich wieder nach links dreht.
Das tut er auch, aber die Drehung endet, als er auf den Computerbildschirm sieht. Mit einer Bedächtigkeit, die meinen Finger am Abzug zittern läßt, streckt Berkmann die Hand aus und berührt eine Taste auf der rechten Seite meiner Tastatur.
Ich frage mich gerade, welche Taste es wohl war, als er sich in meine Richtung dreht. Einen Moment lang schwebt sein Blick über mir. Dann bohrt er sich wie ein Laser in meine Augen, und ich verspüre ein alptraumhaftes Entsetzen, vor einem so unsagbar empfindungsfähigen Wesen zurückweichen zu müssen, während er sich aus dem Stuhl erhebt, die silberne Waffe hochreißt, auf mich zustürmt und dann in einem weißen Blitz verschwindet, der völlig geräuschlos zu explodieren scheint.
Ich sitze auf dem Boden und blinzle. Meine Lider fühlen sich an, als würden sie brennen. Ein blutiger Glassplitter steckt in meinem linken Arm, und auch aus meiner rechten Schulter fließt Blut. Ich will die Scherben herausziehen, doch dann fällt mir ein, daß Drewe den Schraubenzieher in Mayeux’ Brust steckengelassen hat.
Plötzlich ist sie neben mir. Sie scheint etwas zu rufen, doch ich höre sie nicht. Als ich zu sprechen versuche, spüre ich ein dumpfes Vibrieren in meinem Hals, höre aber noch immer nichts. Eine weiße Wolke wälzt sich aus dem Fenster über mir. Das verrät mir, daß der Blitz genau das gewesen ist, worauf ich gehofft habe. Nichts entwickelt so viel Rauch wie altmodisches Schwarzpulver.
Drewe ergreift meinen linken Arm und versucht, mich hochzuziehen. Als ich protestiere, ruft sie Wörter, die ich nicht hören kann, und zerrt heftiger. Dann ruckt ihr Kopf nach oben und zur Seite, zum Fenster hin. Ich schaue in ihre Blickrichtung und sehe einen schwarzen Schatten, der sich in den Rauch über meinem Kopf krümmt und neben mir in einem Schauer aus Glassplittern auf den Boden fällt.
Ich lange instinktiv nach Drewe, doch sie ist weg. Ich versuche mit zitternden Knien aufzustehen, warte darauf, daß der schwarze Klumpen, der Edward Berkmann sein muß, aufspringt und mir eine Kugel durch den Kopf schießt.
Er tut keines von beidem. Er krümmt sich auf dem benzingetränkten Boden und rollt sich, anscheinend mit einer gewaltigen Anstrengung, auf den Rücken. Sein Gesicht ist schwarz versengt und mit weißen Plastiksplittern gespickt. Sein schulterlanges Haar ist verkohlt, und Blut läuft aus Nase und Ohren. Sein Mund öffnet sich zu einem große O, das von weißen Zähnen umrissen wird, und das erste Anzeichen dafür, daß mein Gehör zurückkehrt, ist ein hohes, scharfes Jaulen, bei dem es sich nicht um eine ferne Sirene, sondern um den Schrei eines Menschen handelt.
Ich spüre Drewe an meiner Seite, greife nach ihr und schließe meine Hand um die ihre. Berkmanns ganzer Körper qualmt, doch seine Augen sind so weit geöffnet, daß die Iris wie blaue Knöpfe auf weißen Untertassen aussehen. Noch während ich bemerke, daß der vernickelte Revolver noch von seiner rechten Hand umklammert wird, wird mir klar, daß sowohl die Hand als auch der Arm zerschmettert sind.
»Kannst du etwas für ihn tun?« höre ich mich krächzen.
»Ich könnte«, sagt Drewe, »aber ich tu’s nicht. Ich habe andere Patienten.«
Berkmanns leere linke Hand zuckt, und ich zerre Drewe zurück, weil ich befürchte, daß er versucht, damit den Revolver zu fassen. Aber das tut er nicht. Die versengte Hand hebt sich in die Luft und greift nach uns, als wolle sie Drewe locken. Aber die geschwärzten Finger schließen sich um nichts,und der Arm fällt langsam zurück. In dem Augenblick, in dem er den Boden berührt, löst sich aus der Waffe in der anderen Hand ein Schuß, der das verschüttete Benzin in einem blendenden Hitzeschlag auflodern läßt, der uns rückwärts in die Dunkelheit treibt. Berkmanns verkohlter Körper krümmt sich von den Flammen fort wie verbranntes Papier. Während ich in das Inferno starre, zerrt Drewe mich die Auffahrt entlang, fort von unseren
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