Atlantis
hielten hin und wieder inne, um sich zu bücken und einen Stoß auszuführen. Andere Männer saßen kaum sichtbar auf hohen Sitzen an der Wand und sahen zu. Einer ließ sich gerade die Schuhe putzen. Er sah aus, als wäre er tausend Jahre alt.
Direkt vor ihnen war ein großer Raum voller Flipperautomaten von Gottlieb: Eine Unzahl rot und orange blinkender Lämpchen tauchten ein großes Schild mit der Aufschrift WENN SIE DENSELBEN APPARAT ZWEIMAL TILTEN, MÜSSEN WIR SIE BITTEN ZU GEHEN in Bauchschmerzfarben. Ein junger Mann, der ebenfalls einen runden Filzhut mit schmaler Krempe trug - anscheinend die Standard-Kopfbedeckung der scharfen Motorrollertypen, die »da unten« residierten -, beugte sich über einen Flipper namens »Grenzpatrouille« und bearbeitete hektisch die Knöpfe. Eine Zigarette hing ihm von der Unterlippe, und der Rauch stieg an seinem Gesicht und den Kringeln seiner zurückgekämmten Haare vorbei nach oben. Er hatte sich seine umgestülpte Jacke um die Taille gebunden.
Links vom Eingangsbereich war ein Tresen. Von dort kamen der Fernsehton und der Biergeruch. Drei Männer saßen dort, alle umgeben von leeren Barhockern, über Pilsgläser gebeugt. Sie sahen nicht wie die fröhlichen Biertrinker aus, die man in den Werbespots sah; für Bobby sahen sie aus wie die einsamsten Menschen der Welt. Er fragte sich, warum sie nicht wenigstens zusammenrückten und ein bisschen miteinander redeten.
Näher bei ihnen stand ein Kassentresen. Ein dicker Mann kam durch die Tür dahinter herein, und Bobby hörte für ein paar Sekunden das leise Gedudel eines Radios. Der dicke Mann hatte eine Zigarre im Mund und trug ein mit Palmen bedrucktes Hemd. Er schnippte mit den Fingern wie der coole Typ mit dem Billardqueue-Köfferchen und sang leise vor sich hin: »Tschu-tschu- tschau , tschu-tschu-ka- tschau-tschau , tschu-tschu- tschau-tschau! « Bobby erkannte die Melodie: »Tequila« von den Champs.
»Wer bist du, Kumpel?«, fragte der dicke Mann Ted. »Ich kenn dich nich. Und der darf hier sowieso nich rein. Kannste nich lesen?« Er reckte einen fetten Daumen mit schmutzigem Nagel zu einem anderen Schild, das an dem Tresen hing: 21, SONST RAUS!
»Sie kennen mich nicht, aber ich glaube, Sie kennen Jimmy Girardi«, erwiderte Ted höflich. »Er hat mir gesagt, Sie seien der Mann, mit dem ich sprechen müsste … Das heißt, wenn Sie Len Files sind.«
»Ich bin Len«, sagte der Mann. Auf einmal wirkte er erheblich freundlicher. Er streckte eine so weiße und dicke Hand aus, dass sie Bobby an die Handschuhe erinnerte, die Micky, Donald und Goofy in den Comics trugen. »Sie kennen Jimmi Gee, hm? Der gottverdammte Jimmy Gee! Tja, sein Opa ist da hinten und lässt sich die Schuhe putzen. Lässt sich heutzutage ziemlich oft die Schuhe putzen.« Len Files zwinkerte Ted zu. Ted lächelte und schüttelte dem Mann die Hand.
»Ihr Junge?«, fragte Len Files und beugte sich über seinen Kassentresen, um sich Bobby genauer anzusehen. Bobby roch Sen-Sen-Minzdrops und Zigarren in seinem Atem, Schweiß an seinem Körper. Sein Hemdkragen war von Schuppen gesprenkelt.
»Er ist ein Freund«, sagte Ted, und Bobby glaubte, gleich vor Freude zu platzen. »Ich wollte ihn nicht auf der Straße lassen.«
»Gute Idee, wenn Sie kein Lösegeld für ihn zahlen wollen«, pflichtete Len Files ihm bei. »Du erinnerst mich an wen, Kleiner. Woran liegt das?«
Bobby schüttelte den Kopf. Der Gedanke, dass er jemandem ähnlich sehen könnte, den Len Files möglicherweise kannte, erschreckte ihn ein bisschen.
Der dicke Mann achtete kaum auf Bobbys Kopfschütteln. Er hatte sich aufgerichtet und sah nun wieder Ted an. »Ich kann keine Kinder hier reinlassen, Mr. …?«
»Ted Brautigan.« Er streckte die Hand aus, und Len Files schüttelte sie.
»Sie wissen, wie das ist, Ted. Bei jemand in meinem Gewerbe passen die Cops auf wie Schießhunde.«
»Natürlich. Aber er wird hier stehen bleiben - tust du das, Bobby?«
»Klar«, sagte Bobby.
»Und wir werden für unser Geschäft nicht lange brauchen. Aber es ist ein gutes kleines Geschäft, Mr. Files …«
»Len.«
Len, natürlich, dachte Bobby. Bloß Len. Denn hier drin war »da unten«.
»Wie gesagt, Len, ich habe da ein gutes Geschäft für Sie. Ich glaube, Sie werden mir zustimmen.«
»Wenn Sie Jimmy Gee kennen, wissen Sie, dass ich mich nich mit Kleckerkram abgebe«, sagte Len. »Den Kleckerkram überlass ich den Niggern. Worum geht’s also? Patterson-Johansson?«
»Albini-Haywood. Im
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