Atlantis
wirklich eine erloschene Versicherungspolice gegeben? Warum sollte seine Mutter in solchen Dingen lügen?) Das waren
Sachen, über die er mit Carol nicht reden konnte. Es war keine Zurückhaltung; er wusste nur einfach nicht, wie er es anstellen sollte.
Sie gingen den Hügel hinauf. Bobby nahm ein Ende ihres Seils, und sie gingen nebeneinander her und ließen es zwischen sich über den Bürgersteig schleifen. Auf einmal blieb Bobby stehen und zeigte auf etwas. »Schau.«
Ein gelber Drachenschwanz hing an einer der Stromleitungen, die sich weiter vorn über die Straße spannten. So wie er dort hing, ähnelte er irgendwie einem Fragezeichen.
»Ja, ich seh’s«, sagte Carol mit gedämpfter Stimme. Sie setzten sich wieder in Bewegung. »Er sollte heute noch abreisen, Bobby.«
»Er kann nicht. Der Kampf ist heute. Wenn Albini gewinnt, kriegt Ted morgen Abend im Billardsalon seine Kohle. Ich glaube, die braucht er ziemlich dringend.«
»Klar«, sagte Carol. »Man braucht sich nur seine Kleidung anzuschauen, dann sieht man, dass er fast pleite ist. Wahrscheinlich hat er sein letztes Geld verwettet.«
Seine Kleidung - das ist etwas, was nur einem Mädchen auffallen kann, dachte Bobby und machte den Mund auf, um es ihr zu sagen. Doch bevor er dazu kam, ertönte eine Stimme hinter ihnen. »Na, wen haben wir denn da! Das Gerber-Baby und das Maltex-Baby. Wie geht’s, Babys?«
Wütend darüber, mit dem kleinen Krakeeler aus der Maltex-Müsli-Werbung verglichen zu werden, sah Bobby sich um. Drei Jungen von St. Gabe’s in orangefarbenen Hemden kamen langsam hügelaufwärts auf sie zugeradelt. In ihren Fahrradkörben hatten sie diverse Baseballsachen. Einer der Jungen, ein pickliger Bursche mit einem silbernen Kreuz an einer Halskette, trug einen Baseballschläger in einer
selbst gemachten Schlinge auf dem Rücken. Der hält sich für Robin Hood, dachte Bobby, aber er hatte Angst. Es waren große Jungs, Jungs aus der Highschool, aus der Konfessionsschule , und wenn sie beschlossen, ihn ins Krankenhaus zu bringen, dann würde er auch ins Krankenhaus kommen. Niedere Jungs in orangefarbenen Hemden, dachte er.
»Hi, Willie«, sagte Carol zu einem von ihnen - nicht zu dem Burschen mit der Baseballkeule auf dem Rücken. Ihre Stimme klang ruhig, sogar fröhlich, aber Bobby hörte die Angst darunter wie die Flügel eines Vogels flattern. »Ich hab dir beim Spielen zugesehen. Du hast gut gefangen.«
Derjenige, mit dem sie sprach, hatte ein hässliches, noch nicht ausgeformtes Gesicht unter einem Wust zurückgekämmter, kastanienbrauner Haare und über dem Körper eines Mannes. Das Huffy-Fahrrad unter ihm war lächerlich klein. Bobby fand, dass er wie ein Troll in einem Märchen aussah. »Was geht’n das dich an, Gerber-Baby?«, fragte er.
Die drei Jungs von St. Gabe’s schlossen ganz zu ihnen auf. Dann fuhren zwei von ihnen - der mit dem herabbaumelnden Kreuz und derjenige, den Carol Willie genannt hatte - noch ein Stück weiter, stützten sich auf die Lenker ihrer Räder und schoben sie. Bobby erkannte mit wachsender Bestürzung, dass Carol und er umzingelt waren. Er roch eine Mischung aus Schweiß und Haarfestiger, die von den Jungen in den orangefarbenen Hemden ausging.
»Wer bist du denn, Maltex-Baby?«, wollte der dritte St.-Gabe’s-Junge von Bobby wissen. Er beugte sich über den Lenker seines Fahrrads, um ihn besser in Augenschein nehmen zu können. »Bist du Garfield? Biste doch, was? Billy Donahue sucht dich immer noch, wegen der Sache im letzten Winter. Er will dir die Zähne ausschlagen. Vielleicht
sollte ich ihm schon mal’n bisschen Arbeit abnehmen und dir jetzt gleich ein oder zwei raushauen.«
Bobby spürte, wie sich ein erbärmliches, kriechendes Gefühl in seinem Magen breitmachte - wie Schlangen in einem Korb. Ich werde nicht wieder weinen, befahl er sich. Ganz gleich, was passiert, ich werde nicht wieder weinen, selbst wenn sie mich ins Krankenhaus bringen. Und ich werde versuchen, Carol zu beschützen.
Vor so großen Jungs? Das war ein Witz.
»Warum bist du so gemein, Willie?«, fragte Carol. Ihre Worte waren ausschließlich an den Jungen mit den kastanienbraunen Haaren gerichtet. »Wenn du allein bist, bist du doch auch nicht gemein. Warum musst du’s dann jetzt sein?«
Willie errötete. Zusammen mit seinen dunkelroten Haaren - sie waren viel dunkler als die von Bobby - erweckte das den Eindruck, als stünde er vom Hals aufwärts in Flammen. Es passte ihm wohl nicht, dachte Bobby, dass seine
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