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Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
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inzwischen hatte ich mir, was diesen Tag anging, einen Panzer zugelegt, den die anderen bei einer der Gruppensitzungen jedoch knackten, sodass sich mein Inneres wie dünner Brei auf den Klinikfußboden ergoss.
    Hinterher hatten Val und Jake Stunden gebraucht, um mich wieder zusammenzuleimen. Ich konnte mich noch erinnern, wie sie versucht hatten, mich vom Fußboden zu kratzen, mir die Schultern getätschelt und beruhigend auf mich eingeredet hatten. Ab und zu schnauzte Val jemanden an, weil er uns zu nahe kam. An jenem Tag verpassten sie beide das Abendessen, weil ich mich nicht von der Stelle rühren konnte und sie bat, mich nicht allein zu lassen.
    »Natürlich bleiben wir bei dir«, hatte Val gesagt.
    »Wir haben auch gar keinen Hunger«, hatte Jake hinzugefügt, obwohl ihm laut und deutlich der Magen knurrte.
    Das war das letzte Mal, dass ich darüber gesprochen hatte.
    Ich wünschte, Nicki hätte sich mit der Telefonnummer meiner Ärztin zufriedengegeben. Alles wäre viel leichter gewesen, wenn sie einfach mit Fachleuten geredet hätte. Wenn sie nicht diese sehr persönliche Sache von mir verlangt hätte – zumal ich keine Ahnung hatte, was sie damit anfangen würde. Das mit ihrem Vater tat mir leid, aber glaubte sie denn wirklich, dass ich ihr irgendetwas erzählen konnte, was ihr weiterhalf?
    Ich mailte zurück: »Darüber möchte ich nicht sprechen.«
    »bitte«, antwortete sie, was mich schon fast umstimmte. Und diese Kleinbuchstaben machten mich auch fertig. Das war beinahe so, als ob sie flüsterte oder mich anflehte.
    Meine Mutter bat mich, ihr das Abendessen nach oben zu bringen, damit sie am Computer essen konnte. Sie musste nur einmal in der Woche ihre offizielle Arbeitsstelle aufsuchen, den größten Teil der Zeit war sie zu Hause. Sie war Bezirksleiterin bei einer Organisation, die Kontraktfirmen überprüfte, was immer man darunter zu verstehen hatte. Jedenfalls bedeutete es, dass sie pro Woche vierzig Stunden – manchmal auch mehr – am Computer sitzen musste.
    »Tut mir leid, dass ich nicht mit dir essen kann, aber dieses Projekt ist brandeilig. Ich hab denen ja schon letzte Woche gesagt, dass wir im Verzug sind, aber …« Sie seufzte. »Louisa Rossi bringt es einfach nicht fertig, sich an den Terminplan zu halten. Willst du nicht hier bei mir essen?«
    »Ich hab schon gegessen.«
    »Tatsächlich? Auch dein Gemüse?«
    »Ja.«
    Sie schnitt eine Babymöhre in Viertel, um dann jeden einzelnen Bissen gründlich zu kauen. Ich stand an der Tür, um mich so schnell wie möglich davonzumachen, sobald sie ihren Fragenkatalog abgearbeitet hatte. Vermutlich konnte ich von Glück sagen, dass sie mir nicht auch noch einen Funkchip oder eine Minikamera anpappte.
    »Hast du heute Morgen deine Medikamente genommen?«
    »Ja. Du warst doch dabei.«
    Mom drehte ihren Schreibtischstuhl in meine Richtung und bohrte die Zehen in den grauen Teppichboden. Sie trug einen Rock, als ob sie wirklich in einem Büro arbeiten würde, hatte aber nie Schuhe an.
    Sie musterte mein Gesicht, um nach verräterischen Anzeichen zu suchen – wahrscheinlich Anzeichen dafür, dass ich Probleme hatte. Ich wusste nicht, ob sie so etwas tatsächlich erkennen konnte, aber das gehörte zu unserer täglichen Routine. Dann lächelte sie verkrampft. Seit meinem Klinikaufenthalt schien meine Mutter immer kurz davor zu sein, in Tränen auszubrechen, wenn sie mich anlächelte, sodass jedes Lächeln von ihr etwas Bedrückendes für mich hatte. Ich wandte den Blick ab und versuchte durchzuatmen.
    »In Ordnung«, sagte sie. Dann durfte ich gehen.
    Erst am nächsten Morgen meldete sich Val. Als ich ihren Namen auf dem Bildschirm sah, war ich sofort elektrisiert. Wie gewöhnlich hielt sie sich nicht mit Floskeln à la Hi-wie-geht’s auf, sondern kam gleich zur Sache: »Ich hab mir die Haare abgeschnitten.«
    Okay, vielleicht hätte ich es vorgezogen, wenn sie mir mitgeteilt hätte, sie könne nicht ohne mich leben oder so was in der Art, aber wenigstens hatte sie mir geschrieben.
    »Wie sehen sie denn jetzt aus?«, fragte ich. Das Erste, was mir an Val aufgefallen war, waren ihre Haare gewesen. Als ich sie kennengelernt hatte, reichten sie ihr auf der einen Seite bis zur Schulter, auf der anderen bis zum Kinn. Zuerst hielt ich das für den Haarschnitt einer Verrückten, bis mir klar wurde, dass Val einer der normalsten Menschen in der ganzen Klinik war. Sie erklärte mir, sie habe sich das Haar aus Jux so geschnitten – um einzigartig, um

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