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Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
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mich direkt danach zu fragen. Bis heute.
    Ich stand auf, aus meiner nassen Kleidung floss mir Wasser die Beine runter. Nicki rappelte sich ebenfalls hoch. »Warum willst du das wissen?«, fragte ich noch einmal.
    Sie legte den Kopf nach hinten, als sei die Antwort in den Bäumen oder in den Wolken zu finden. »Das ist schwer zu erklären.«
    Dann drehte Nicki den Kopf in Richtung Wald, sodass ich ihr Profil zu sehen bekam. Sie pulte an einer verschorften Stelle herum, die sie am Bein hatte. Am liebsten wäre ich davongerannt, um mich in meinem Zimmer einzuschließen und ihren Fragen zu entkommen und dem ganzen Gerede, das mir offenbar für den Rest meines Lebens anhängen sollte.
    Was mich zurückhielt, war die Tatsache, dass ich mir Sorgen um sie machte.
    »Hör mal«, sagte ich. »Wenn mich das jemand fragt, denke ich sofort, er spielt mit dem Gedanken, es selbst zu tun.«
    Nicki schüttelte den Kopf.
    »Das ist schon okay, ich meine, ich kann dir die Telefonnummer von meiner Ärztin geben. Sie hat zwar bis Ende des Monats Urlaub, aber sicher ist in ihrer Praxis jemand zu erreichen.«
    »Darum geht’s nicht, das schwör ich.«
    »Wär wirklich kein Problem. Ich hab ihre Nummer schon mal weitergegeben – an einen Jungen in der Schule, den ich kaum kenne.« Er hatte sich an mich gewandt, weil ich der Einzige in der Schule war, der schon mal versucht hatte, sich umzubringen – zumindest der Einzige, von dem es alle wussten. Wer immer es sonst noch versucht hatte, hatte sein Geheimnis besser gehütet als ich. Ich hatte dem Jungen die Nummer der Selbstmord-Hotline meiner Ärztin gegeben. Außerdem hatte ich dem Schulpsychologen von ihm erzählt. Soweit ich wusste, war er noch am Leben, obwohl ich keine Ahnung hatte, ob er diese Nummer je angerufen hatte.
    Nicki sah mich an. »Ein Junge in der Schule? Wer denn?«
    »Das werde ich dir nicht sagen.«
    »Also … ich hab nicht die Absicht, mich umzubringen. Deshalb habe ich dich nicht danach gefragt.«
    »Hast du dein Handy dabei?«
    Sie seufzte. »Ich brauch die Nummer wirklich nicht, aber du lässt ja doch nicht locker.« Sie reichte mir ihr Handy, damit ich die Nummer speichern konnte. »Gib mir auch deine Nummer. Und deine E-Mail«, sagte sie.
    »Warum?«
    »Weil ich dir was zuschicken möchte.«
    Ich zögerte kurz, dann gab ich mit zitternder Hand meine Daten ein.
    »Schick mir bloß keine von diesen Scherzmails, die gleichzeitig an fünfzigtausend andere rausgehen«, sagte ich.
    Insgeheim dachte ich: Teil mir bloß nicht mit, dass du dich umbringen willst.
    »Solchen Mist verschicke ich nicht.« Ihre Stimme wurde weicher. »Ich möchte dir etwas sagen, aber das kann ich nicht, wenn ich mit dir zusammen bin. Deshalb werde ich es dir mailen. Okay?«
    »Okay.«
    Wenn sie selbstmordgefährdet war, würde ich ihre Mail sofort an meine Ärztin weiterleiten. Eigentlich kam sie mir gar nicht selbstmordgefährdet vor, aber warum hätte sie sich dann für meine Vergangenheit interessieren sollen? Was konnte es denn geben, wonach sie mich fragen wollte?
    Auf dem ganzen Nachhauseweg und auch noch als ich in mein Zimmer hochging, um meine nassen Sachen auszuziehen, musste ich an Nicki denken. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, als ob sie mir wieder durchs Haus folgte – oder eher: mich durchs Haus führte. Ich versuchte, mein Zimmer mit ihren Augen zu sehen: den Schreibtisch, der bis auf meinen Computer völlig leer war; das Bett mit der glatt gezogenen Tagesdecke; den Teppich mit den typischen Staubsaugerstreifen. Sicher war sie zu dem Schluss gekommen, dass ich ein analfixierter Ordnungsfreak war.
    Vals Bild mit seinen aggressiven purpurnen und blauen Wirbeln war das Einzige in meinem Zimmer, was es von einem unpersönlichen Hotelzimmer unterschied. Als ich es aufgehängt hatte, war meine Mutter mir die ganze Zeit nicht von der Pelle gewichen. Nicht nur, dass ich einen Nagel in ihre kostbaren Wände schlug, machte sie zutiefst unglücklich, sondern auch die Tatsache, dass ich ihre Inneneinrichtung mit einem Kunstwerk aus der Nervenklinik verunzierte.
    Und noch etwas gab es in meinem Zimmer, das es von einem Hotelzimmer unterschied, etwas, das Nicki nicht gesehen hatte und dessen Bedeutung ihr wohl selbst dann nicht klar gewesen wäre, wenn sie es gesehen hätte.
    Ohne es eigentlich zu wollen, öffnete ich die Tür meines Wandschranks, voller Widerwillen gegen den Drang, der mich damals veranlasst hatte, dieses Ding an mich zu nehmen, und der mich jetzt veranlasste, es

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