Atommuell - Die Suche nach dem Endlager
echtes Endlager haben.“ Der 38-jährige Chemiker ist stellvertretender COVRA-Direktor. Außerdem Forschungsleiter und Pressesprecher der Organisation. Und er hat nicht die leisesten Zweifel, dass das Projekt, an dem er arbeitet, wirklich eine gute Idee ist.
Möglich sogar, dass diese Idee am Ende die einzige sein wird, die den Endlager-Scouts auch der großen Atomkraft-Nationen bleibt: das „Zwischenendlager“. Ein Atommüllsarg mit Verfallsdatum in einer mittleren Zukunft. Ein Generationenvertrag eigener Art. Nichts für die Ewigkeit, wie etwa das in Frankreich geplante Lager. Aber deutlich robuster als die zugige, oberirdische Castor-Stätte in Gorleben.
Vom Verwaltungsgebäude führt der Weg zu den Hallen für schwach strahlenden Müll. Weil darin noch Platz ist, hat ihn die COVRA niederländischen Museen angeboten – zur Aufbewahrung ihrer Lagerbestände. „Wir haben doch beste Bedingungen“, sagt Verhoef, „stabile Temperatur und konstante Luftfeuchtigkeit.“
Weit und breit kein Wachpersonal, Türen und Sicherheitsschleusen zu dem Haus in Orange und Grün öffnet Verhoef mit ID-Karte und Geheimzahl. „Wer sollte hier reinwollen? Wenn Greenpeace eine Aktion machen will, braucht es sich nur anzumelden. Und Terroristen kämen vielleicht bis zum Gebäude. Aber nicht weiter.“ Die Außenwände sind 1,7 Meter dick und so konstruiert, dass sie einem Erdbeben der Stärke 6,5 nicht nachgäben. Der Bau hielte auch, zumindest rechnerisch, dem Aufprall eines Kampfjets stand. Oder einer Explosion im benachbarten Gaskraftwerk. Selbst ein Wasserstand von zehn Metern über Normalnull, höher als in den düstersten Klimaprognosen, soll dem Gefahrgut nichts anhaben können. „Wir haben an alles gedacht“, sagt Verhoef. Er öffnet die Tür.
Drinnen: kein Mensch. Nach einigen zehn Metern Betongang grüßt ein einsamer Ingenieur durch die Scheibe der Überwachungszentrale. In den Gängen liegen Leitungen auf Putz. „Das macht es leichter, Störungen zu beseitigen. Die Anlage ist so einfach wie möglich gebaut“, betont Verhoef, „alles ist redundant ausgelegt. Wir wollten keine autonomen Systeme.“ Jeder automatisierte Vorgang kann auch von Hand ausgeführt werden. Denn immer soll der Mensch die Verantwortung tragen. Niemals ein Computer. So gehe das Wissen um die Gefahr nicht verloren, sagt der Manager.
Jedenfalls nicht innerhalb der nächsten Generationen.
Eine Halle in der ersten Etage, rot gestrichener Betonfußboden. Darin eingelassen: 120 runde Deckel, mit starken Schrauben gesichert. Jeder Deckel verschließt eine meterhohe Betonröhre unter dem Hallenboden, und in den Röhren stecken die Fässer mit dem 200 Grad Celsius heißen Abfall. Ein Deckel ist offen, am Rand der Röhre kniet ein Techniker mit einem Messgerät. „Die Abfallbehälter füllen wir mit Helium“, sagt Verhoef. „Und die Betonröhren mit dem Edelgas Argon.“ Helium ist leichter, Argon schwerer als Luft. „In regelmäßigen Abständen untersuchen wir das Argon auf Heliumspuren. So wissen wir, ob die Behälter dicht sind.“
Über den Platz vor dem Atommüll-Bunker pfeift ein kühler Nordseewind. Alle 20 Jahre werden die Außenwände neu gestrichen, erzählt Verhoef, in immer blasserem Orange, „als Symbol für die abnehmende Wärme im Inneren. Nach 100 Jahren wird das Gebäude weiß sein.“ Nur die Formeln bleiben schockfarbengrün, denn radioaktiv strahlt das Lagergut dann natürlich immer noch. Teils noch für Zehntausende von Jahren – ein Problem von Bestand, vielleicht in Zukunft zu lösen. Vielleicht auch nie.
Die Farbenlehre der COVRA wurde bereits mit einem Kommunikationspreis bedacht – gestiftet von der Nuklearindustrie.
aus GEO 03/2012
Alchemie mit Atomen
Wie hochgefährliche Stoffe ihren Schrecken verlieren sollen
Das Wort klingt vielen wie eine Verheißung auf das Ende der Atommüll-Probleme: Transmutation. Damit, so heißt es, könnten einige der lange strahlenden Isotope in andere mit kürzeren Halbwertszeiten verwandelt werden. Strahlende Reststoffe wären dann nicht mehr für Jahrmillionen, sondern „nur“ für etwa 500 bis 1000 Jahre zu lagern. Plutonium-239 (Halbwertszeit 24 110 Jahre) mutierte zu Cäsium-134 (Halbwertszeit zwei Jahre) und nichtradioaktivem Ruthenium-104. Bislang geht das leider nur im Labor – und noch lange nicht in großtechnischer Anwendung. Denn die Atomkerne mit langer Halbwertszeit verwandeln sich nur unter starkem Neutronenbeschuss in ihre nur für kurze Zeit strahlenden
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