Atommuell - Die Suche nach dem Endlager
wichtigsten Herausforderungen der Zivilisation – beeinflusst also von menschlicher Schwäche, von der Gier nach Cash? In Finnland und Schweden lieferten sich Kommunen sogar Wettkämpfe um den Zuschlag für eine Deponie – und um die damit verbundenen Einnahmen.
Im bisher atomkraftfreundlichen Japan dagegen half selbst die Bürgerbeteiligung nichts: Keine einzige Kommune erklärte sich bereit, auch nur Bodenuntersuchungen auf ihrem Terrain zuzulassen. Sogar Länder, in denen sich Atommüll-Verwalter dem Ziel schon nahe glaubten, müssen nach Jahrzehnten der Forschung wieder zurück auf Start. Die USA etwa, deren Standorterkundung bis zum Antritt der Obama-Regierung mehr von politischer Sturheit denn von wissenschaftlicher Akkuratesse getrieben worden war. 1987 rief der US-Kongress den Bergzug Yucca Mountain in Nevada als möglichen Lagerplatz aus. Ein simpler Coup: Das Gelände gehört der Regierung und ist Teil eines früheren Atomtestgebietes. Bis 2009, als Barack Obama die Arbeiten beenden ließ, waren 15 Milliarden Dollar im Tuff versunken.
„Yucca Mountain ist eine Katastrophe“, sagt Gerhard Jentzsch, Experte für die Standortsicherheit von Nuklearanlagen. Das Tuffgestein dort, sagt der Geophysiker, liege „direkt neben jungen Vulkanen. Außerdem wurden Störungen festgestellt, die auf größere Erdbeben zurückgehen“. Zudem registrierten Geologen bei Yucca Mountain innerhalb von 20 Jahren mehr als 600 kleinere Erschütterungen. 2007 entdeckte man eine gefährdete Zone direkt unter einem Areal, auf dem ein Auskühllager für Nuklearbrennstoff entstehen sollte.
Aus den Tuff-Tunneln nahm Jentzsch ein Andenken mit: „Ein Stück Kalkkristall, der sich nur bildet, wenn Wasser fließt. In Yucca Moutain läuft das Wasser aus der Wand.“ Jetzt beginnt im Land der 100 Meiler die Suche wieder von vorn.
In Deutschland steht eine ähnliche Entwicklung an. Einem Endlager im Salzstock von Gorleben geben viele Experten keine Zukunft: Die seit Ende 2010 geltenden neuen Sicherheitsregeln für Atommüll-Grüfte sehen vor, dass hochradioaktive Abfälle, selbst wenn das Lager voll und verschlossen ist, noch mindestens 500 Jahre lang im Fall sich einstellender Probleme wieder geborgen werden könnten.
„Damit scheidet Salz aus“, sagt Gerhard Jentzsch. „Mit dem Salz driften irgendwann auch die Behälter. Nach 500 Jahren dürften die kaum noch zu orten sein.“ Zugleich aber gibt er zu bedenken, „dass die Forderung nach Rückholung der Forderung nach sicherem Einschluss widerspricht.“ Der Geophysiker ist vorsichtig bei der Wahl der Alternative: „Im Augenblick bin ich für Tongestein. Natürlich fließt es auch. Aber viel langsamer.“
Für Deutschland bedeutet dies, dass eigentlich eilig Scouts ausschwärmen müssten. „Realistischerweise“, verlautet aus dem Bundesamt für Strahlenschutz, „kann ein Endlager frühestens ab 2035 in Betrieb gehen.“ Auch darum weht über dem Erkundungsbau in Lothringen eine schwarz-rot-goldene Fahne: Seit Jahren explorieren dort, unbeachtet von der deutschen Öffentlichkeit, auch Forscher der Bundesanstalt für Geowissenschaften den Ton unter Tage zusammen mit den Franzosen.
Und der Granit, auf den die Finnen setzen?
„Man hat noch keine Technik, keine Geräte für einen schonenden Ausbruch des Granits entwickelt“, kritisiert der Schweizer Geologe Marcos Buser. „Da wird immer noch gebohrt und gesprengt. Und wo gesprengt wird, gibt es Schäden.“ Schon deshalb, weil dadurch ein Netz feiner Risse entsteht. „Wir kennen das aus dem Tunnelbau“, sagt Buser. „Durch diese Risse kann Wasser fließen.“
Die angenommene Langzeitsicherheit der skandinavischen Projekte, ergänzt Gerhard Jentzsch, beruhe „nicht auf der Geologie, sondern auf den dort geplanten Kupferkanistern. Wenn die unter Einfluss von Feuchtigkeit schneller korrodieren als berechnet, hat man ein Problem.“
Alarmiert müssten auch die Franzosen sein. Denn die lothringische Tonschicht erweist sich schon als rissige Materie. Treibt man einen Gang hinein, so entscheidet dessen Neigung oder die Distanz zu anderen Stollen, wie weit sich die Fissuren in den umliegenden Fels fressen. Wodurch Bewegung entstehen kann. Jentzsch hat Zweifel, „dass die Röhren mit den Müllkapseln dem Druck des Gesteins standhalten werden, ohne sich zu verformen“.
Störende Zweifel sät auch ein – von Bürgermeister Fernbachs Büro veranlasstes – Gutachten amerikanischer Experten. Danach sind die Berechnungen der
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