Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)
war 20), aber der Drecksack hat ihr die Note »mangelhaft« gegeben, obwohl sie ein »sehr gut« verdient hatte. Das alles wurde unter den Teppich gekehrt, die Studentin hat ihre Note »sehr gut« und ihr Studiengeld für ein Jahr zurückerstattet bekommen – zweifellos, um sie zu bestechen, ohne es so zu nennen.
Heutzutage kann man jeden finden, also habe ich sie aufgespürt und angerufen. Sie heißt Molly Denton und ist inzwischen Polizistin in Worcester, Massachusetts – und zwar ein dekorierter Lieutenant in der Mordkommission. Junge, Junge, was ist sie über meinen Betreuer hergezogen! Also bin ich in das Gespräch mit Carbone mit ein paar Atombomben bewaffnet gegangen, nur für den Fall der Fälle.
Ich wünschte, Sie wären dabei gewesen. Es war wundervoll. Noch ehe ich überhaupt auf das Thema meiner Arbeit zu sprechen kam, habe ich ganz nett und höflich erwähnt, dass wir eine gemeinsame Bekannte haben: Molly Denton. Und dabei habe ich ihm ein dickes fettes Grinsen geschenkt, nur um sicherzugehen, dass er die Botschaft versteht. Da ist er ganz blass geworden. Er konnte es gar nicht erwarten, das Thema zu wechseln, zurück zu meiner Semesterarbeit, wollte mehr darüber erfahren, hat mir zugehört, war sofort damit einverstanden, dass es sich um den fabelhaftesten Themenvorschlag für eine Semesterarbeit handele, den er seit Jahren gehört habe, und versprach mir, ihn höchstpersönlich durch die Zulassungsverfahren zu schleusen. Und dann – das ist der beste Teil – hat er vorgeschlagen, ich solle »sobald wie möglich« nach Roaring Fork aufbrechen. Der Mann war Wachs in meinen Händen.
Die Wintersemesterferien haben gerade angefangen, und in zwei Tagen bin ich unterwegs nach Roaring Fork! Wünschen Sie mir alles Gute. Und wenn Ihnen danach ist, schreiben Sie mir zurück c/o Ihren Kumpel Proctor, der meine Nachsendeadresse von mir bekommt, sobald ich sie weiß.
Liebe Grüße
Corrie
PS: Beinahe hätte ich vergessen, Ihnen von einer der besten Sachen im Zusammenhang mit meiner Semesterarbeit zu berichten. Ob Sie’s glauben oder nicht: Von der Mordserie des Grizzlys habe ich erstmals aus dem Tagebuch von Arthur Conan Doyle erfahren! Doyle hatte die Geschichte von keinem Geringeren als Oscar Wilde gehört, auf einer Dinnerparty in London im Jahr 1889. Wie’s aussieht, war Wilde ein Sammler von Horrorgeschichten, und diese war ihm auf einer Lesereise durch den amerikanischen Westen zugetragen worden.
Der Diener, der im Schatten stand, schaute zu, wie sein merkwürdiger Arbeitgeber den Brief zu Ende las. Die langen weißen Finger schienen herabzufallen und der Brief auf den Tisch zu gleiten, wie weggelegt. Als die Hand sich bewegte, um nach dem Glas Pastis zu greifen, hob die Abendbrise die Seiten sanft in die Höhe und wehte sie über das Balkongeländer, über die Kronen der Zitronenbäume; dann segelten sie in den blauen Raum, flatternd und ziellos umherwirbelnd, bis sie außer Sicht gerieten, ungesehen, unbemerkt und völlig ignoriert von dem blassen Mann im schwarzen Anzug, der dort ganz allein auf einem Balkon hoch über dem Meer saß.
4
D ie Polizei von Roaring Fork war in einem klassisch roten viktorianischen Backsteingebäude im Wildweststil untergebracht und lag ungemein malerisch mitten in einer grünen Parkanlage vor einer Kulisse aus prächtigen weißen Berggipfeln. Davor stand eine vier Meter hohe Säule der Justitia, die schneebedeckt war, aber seltsamerweise nicht die traditionelle Augenbinde trug.
Corrie Swanson hatte sich mit Büchern über Roaring Fork eingedeckt und alles über dieses Justizgebäude gelesen, das wegen einer Reihe von Angeklagten, die dessen Pforten durchschritten hatten, von Hunter S. Thompson bis zum Serienmörder Ted Bundy, Berühmtheit erlangt hatte. Roaring Fork war, wie sie wusste, ein ganz besonderer Ort. Hier standen die teuersten Immobilien im Land. Was sich jedoch als äußerst ärgerlich erwies, weil sie deshalb in einer Ortschaft namens Basalt Quartier beziehen musste, fünfundzwanzig gewundene Kilometer weiter unten an der Bundesstraße 82 , in einem heruntergekommenen Cloud Nine Motel mit Pappwänden und einem durchgelegenen Bett zum Mondpreis von 109 Dollar pro Nacht. Es war der erste Tag im Dezember, und die Skisaison war gerade richtig in Schwung gekommen. Von ihren Studentenjobs am John Jay – und dem Geld, das übrig war aus dem Bündel, das Pendergast ihr vor einem Jahr in die Hand gedrückt hatte, als er sie fortschickte,
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