Auch Die Waschmaschine Ist Nur Ein Mensch. Die Besten Technikgeschichten.
Brille.«
»Wie ist denn die Aussicht ins Schlafzimmer?«
»Nicht schlecht. Nur die Vorhänge stören, das sagte ich Ihnen ja schon. Außerdem mißfällt mir das Blumenmuster.«
»Ist wenigstens die Beleuchtung ausreichend?«
»Wenn ich die Wahrheit sagen soll: nein. Manchmal sind überhaupt nur schattenhafte Konturen zu sehen. Fotografieren kann man so etwas nicht.«
»Die Beleuchtungskörper in unserem Schlafzimmer«, entschuldigte ich mich, »sind eigentlich mehr fürs Lesen gedacht. Wir lesen sehr viel im Bett, meine Frau und ich.«
»Ich weiß, ich weiß. Aber manchmal kann einen das schon ärgern, glauben Sie mir.«
»Dov!« warf Lucy vorwurfsvoll dazwischen. »Mußt du denn auf die Leute immer gleich losgehen?«
Und wie zum Trost gab sie uns bekannt, was sie am liebsten sah: Wenn meine Frau zum Gutenachtsagen ins Kinderzimmer ging und unser Allerjüngstes auf den Popo küßte.
»Es ist eine wirkliche Freude, das mitanzusehen!« Lucys Stimme klang ganz begeistert. »Vorigen Sonntag hatten wir ein kanadisches Ehepaar zu Besuch, beide sind Innenarchitekten, und beide erklärten unabhängig voneinander, daß ihnen ein so rührender Anblick noch nie untergekommen sei. Sie versprachen, uns ein richtiges Teleskop zu schicken, eins zu vierzig, das neueste Modell. Übrigens hat Dov schon daran gedacht, an Ihrem Schlafzimmer eines dieser japanischen Mikrofone anzubringen, die angeblich bis auf zwei Kilometer Entfernung funktionieren. Aber ich möchte lieber warten, bis wir uns etwas wirklich Erstklassiges leisten können, aus Amerika.«
»Wie recht Sie doch haben. Bei solchen Sachen soll man nicht sparen.«
Dobby stand auf und säuberte seinen Pyjama von den Bröseln der belegten Brötchen, mit denen meine Frau ihn mittlerweile bewirtet hatte.
»Wir freuen uns wirklich, daß wir Sie endlich von Angesicht zu Angesicht kennengelernt haben« sagte er herzlich. Hierauf versetzte er mir einen scherzhaften Rippenstoß und flüsterte mir zu: »Achten Sie auf Ihr Gewicht, alter Knabe! Man sieht Ihren Bauch bis ins gegenüberliegende Haus.«
»Ich danke Ihnen, daß Sie mich darauf aufmerksam machen«, erwiderte ich ein wenig beschämt.
»Nichts zu danken. Wenn man einem Nachbarn helfen kann, dann soll man es tun, finden Sie nicht auch?«
»Natürlich.«
»Und finden Sie nicht, daß das Blumenmuster auf Ihren Vorhängen – «
»Sie haben vollkommen recht.«
Wir baten die Großmanns, recht bald wiederzukommen. Ein wenig später sahen wir im fünften Stock des gegenüberliegendes Hauses das Licht angehen. Im Fensterrahmen wurde Dobbys schlanke Gestalt sichtbar. Als er den Feldstecher aus Hongkong ansetzte, winkten wir ihm. Er winkte zurück. Kein Zweifel: wir hatten neue Freunde gewonnen.
A Star is born
Bevor die große Wende in meinem Leben eintrat, war es in farblose Anonymität gehüllt. Nur äußerst selten glückte es mir, eine Art öffentlicher Anerkennung zu erringen – zum Beispiel, als die von mir verfaßte »Hebräische Enzyklopädie« (24 Bände) in der Rubrik »Büchereinlauf« einer vielgelesenen Frauenzeitschrift besondere Erwähnung fand: »E. Kish. Hebr. Enz. 24 Bd.«
Ferner entsinne ich mich, während einer meiner Sommerurlaube den Kilimandscharo bezwungen zu haben, und wenn der Reuter-Korrespondent damals nicht die Grippe bekommen hätte, wäre ich bestimmt in den Rundfunknachrichten erwähnt worden. Ein paar Jahre später komponierte ich Beethovens 10. Symphonie und bekam eine nicht ungünstige Kritik in der »Bastel-Ecke« einer jiddischen Wochenzeitung. Ein anderer Höhepunkt meines Lebens ergab sich, als ich ein Heilmittel gegen den Krebs entdeckte und daraufhin vom Gesundheitsminister empfangen wurde; er unterhielt sich mit mir volle sieben Minuten, bis zum Eintreffen der Delegation aus Uruguay. Sonst noch etwas? Richtig, nach Erscheinen meiner »Kurzgefaßten Geschichte des jüdischen Volkes von Abraham bis heute« wurde ich vom Nachtstudio des Staatlichen Rundfunks interviewt. Aber für den Mann auf der Straße blieb ich ein Niemand. Und dann, wie gesagt, kam die große Wende.
Sie kam aus blauem Himmel und auf offener Straße.
Ein Kind trat auf mich zu, hielt mir ein Mikrofon vor den Mund und fragte mich nach meiner Meinung über die Lage. Ich antwortete:
»Kein Anlaß zur Besorgnis.«
Dann ging ich nach Hause und dachte nicht weiter daran. Als ich mit der besten Ehefrau von allen beim Abendessen saß, ertönte plötzlich aus dem Nebenzimmer – wo unsere Kinder vor dem
Weitere Kostenlose Bücher