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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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miteinander verbracht. Nur vielleicht woanders.
    Es stinkt bestialisch nach Ziegenbock.
    »Pilatus«, stellt der Hias vor. Pilatus hängt an der Wand. Ausgestopft. Mit beeindruckenden Hörnern.
    Hias holt eine massive Taschenlampe unter der Spüle heraus. Die macht Baustrahlerlicht. Eine nagelneue Spüle, bemerke ich. Edelstahl. Und eine Granitplatte, 1,50 Meter mal 2,80 Meter, trennt den Ausschankbereich vom Gastraum. Da wird jeder schön auf seiner Seite bleiben. Bauer dahinter, Gast davor. Klare Sache.
    »I hob’n gern mög’n«, brummt der Hias. Gespenstisch fällt der gleißende Lichtkegel auf Pilatus’ Antlitz. Seine Augen glimmen fast lebendig zu uns herunter.
    »Aber dann hot’a die Ami o’packt, mei’ Frau. Und des ...« Zwischen Hias und Pilatus entsteht ein magnetisches Flimmern. Das bestimmt auch vom Batteriescheinwerfer und dem Winterstaub in der Luft kommen kann. Trotzdem merke ich, wie ich den Atem anhalte.
    Hias geht bedächtig, fast lautlos, weiter in die Stube. Dort ist es finster wie in einem rußigen Kamin. Man sieht nur den Lichtkegel über die Wand geistern. Dunkel gebeizte Holzwand. Rundrum eine Bank. Drei schmale, lange Holztische, rechts ein fast deckenhoher Ofen, moosgrün gekachelt. Und links im Eck ein grob geschnitzter Jesus am Kreuz. »Den hot’ ma der Haus’n Sepp g’schnitzt«, murmelt Hias, und eine stille Sekunde vergeht, bevor der Lichtkegel weiterschwirrt.
    »Do – unsere Ahnen.«
    Spot auf ein Schwarz-Weiß-Foto an der Wand. Das erste in einer ganzen Reihe zum geschnitzten Jesus hin.
    »Ludwig der Erste.« Ein Jäger mit weißem Bart und sein Hund. Stolz hebt sich ihrer beider Blick über den toten Hirschen, der quer vor ihnen liegt. Das Geweih ist höher als der Hund.
    Spot auf das Foto links von Ludwig. »Leopold.« Ein stämmiger Patriarch mit Hut. Auch schwarz-weiß. Man ahnt die Flinte über seiner Schulter.
    Noch eins weiter. »Ludwig der Zweite.« Ein kleiner, weich aussehender Mann. Ich glaube, er hätte lieber den erlegten Riesenhirschen gestreichelt und wieder lebendig gemacht, als den Fuß draufgestellt, fürs Foto.
    »Alle scho tot«, raunt Hias. Nachdenklich leuchtet er seinen Jesus an. Leben und Tod, Himmel und Hölle und der Sinn von allem flattern in einem Augenblick durch die Stube.
    Es folgen Leopold der Dritte, Korbinian und ein leerer Fleck an der Wand:
    »Bolko.«
    Ich schlucke. Wer ist Bolko?
    »Abkürzung für Bogislaw.«
    Bogislaw?
    »Der jetzige Baron.«
    Kein Foto?
    »Der lebt no.«
    O Gott. Kriegt der erst ein Foto, wenn er tot ist?
    »Hob i dahoam, muass i no aufhänga.«
    Puh.
    »Mogst’ a Bier?«
    Ja.
    Hias nickt den Baronen zum Abschied, macht die Tür zur Stube zu, und im Vorbeigehen tätschelt er Pilatus’ Wange. »So, Oida, sama wieder da.«
    Draußen im Schnee macht er zwei Halbe auf. Skeptisch schielt er mich an. Weit draußen hinter Rosenheim hängt die glutgelbe Sonne. Der Schnee ist ein Parabolspiegel.
    Es ist so weit. Ja oder nein.
    »Also, ich würd’ gern kommen, im Sommer.«
    »So, so«, sagt er.
    Ich warte. Ein kleiner Schneeklecks fällt vom Rosenstock neben der Tür in das Schneeloch, das wir als Eingang geschaufelt haben.
    Er nickt.
    Ich nicke.
    Und jetzt trinken wir unser Bier. Jeder für sich, die Flasche kurz angehoben, zu sagen ist sowieso nichts mehr.
    Der Goldschnee um uns herum färbt sich rosarot und dann zu einer nächtlichen Version von Blau, die ich noch nie gesehen habe. In der Hütte wachen langsam die Ahnen auf, der Hias räumt noch zusammen, was er zusammenräumen will, und ich sag leise: »Pfiadi derweil.«
    Wir packen’s. Zuerst über den kleinen Hügel wieder rüber und oberhalb der Lauber-Hütte vorbei, übers Paradies und hinein in den Wald. Ich sehe nichts mehr. Der Wald schluckt das nachtblaue Licht. Wie erwartet ist Hias auf seinen Zaunlatten weit voraus, und ich höre, wie sein Jägerrucksack Schnee von den Bäumen bolzt. Und wie erwartet grabe ich mich ein. Klassischer Fahrfehler. Meine superbreiten Powderlatten stecken unter dem angefrorenen Schneedeckel, mein Hintern in einem Loch, und ich ahne, dass das, worin ich hocke, im Sommer ein Froschteich ist.
    Es dauert ein bisschen, bis ich mich ausgegraben habe. Der Hias ist längst außer Sichtweite, und ich bin mir nicht sicher, ob ich durch den dusteren Wald überhaupt noch einer Spur folge. Und gerade, bevor mich eiskalt von hinten ein Gedanke anspringen kann, mit dem ich nicht gerechnet hätte, hör ich ihn pfeifen.
    »Ich bin schon daaaa!«,

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