Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
vielmehr mit den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen es einfach viel effektiver ist, keine Familie und keine Kinder zu haben, dafür aber immer einsatzbereit zu sein?
Abgesehen davon, ist neben der Genetik, die tatsächlich festlegt, mit welcher Hautfarbe man auf die Welt kommt, mit welcher charakterlichen Grundvoraussetzung und mit welcher Disposition für welche Krankheiten, vielleicht die Einsicht, dass sich Gene und Umwelt wechselseitig beeinflussen können, etwas hilfreicher für die Diskussion darüber, wie wir zusammen in diesem Land leben wollen. Wie ich mit meinen etwas widersprüchlichen Aussagen weiter oben deutlich machen wollte, halte ich eine Beschränkung auf das Thema Genetik, wenn es um Migrationspolitik geht, für falsch und veraltet.
Der recht junge Forschungszweig der Epigenetik beschäftigt sich zum Beispiel mit der Wechselwirkung von Umwelt und Genen und geht davon aus, dass sich auch Erfahrungen, Lebensweisen und Gewohnheiten vererben können und dass der genetische Code eben nur die eine Hälfte der Wahrheit ist. Insofern will ich allen widersprechen, die davon ausgehen, dass aufgrund einer bestimmten Herkunft, einer bestimmten genetischen Disposition, eines bestimmten Genpools das komplette Leben vorherbestimmt ist.
In Forschungen wurde zum Beispiel nachgewiesen, dass man durch die richtige Ernährung und die richtige Lebensweise bestimmte genetische Voraussetzungen an- und abschalten kann. So haben genetisch kranke, fettleibige, gelbe Mäuse aufgrund einer bestimmten Diät gesunde, schlanke, braunfellige Kinder bekommen, obwohl diese ihren Genen entsprechend eigentlich ebenfalls, dick, gelb und diabeteskrank hätten sein müssen.
Die Menschen entwickeln sich. Ständig. Das nennt man Evolution, doch wenn wir über Evolution sprechen, dann denken immer alle, dass wir über einen Zeitraum von Millionen Jahren sprechen und dass wir irgendwann mal Kaulquappen waren und durch Mutation und Selektion jetzt im Besitz der Atombombe sind.
Wissenschaftler gehen aber heute davon aus, dass es auch so etwas wie ein evolutionäres Gedächtnis gibt. Wenn man sich über Jahre hinweg etwas aneignet, wenn einem aufgrund von Lebensumständen, Naturkatastrophen, Kriegen und Umwelteinflüssen irgendwelche Dinge zustoßen, dann merkt sich der Mensch das nicht nur in seinem Kopf, sondern eben auch in den chemischen Anhängseln seiner Gene, die offenbar Einfluss darauf haben, ob bestimmte Gene aktiviert werden oder nicht. Anders wäre es nicht zu erklären, dass die Nachfahren von Menschen, die unter extremen Hungerkatastrophen gelitten haben, auch in der zweiten und dritten Generation kleinere Kinder zur Welt bringen als der Durchschnitt, obwohl genetisch dafür keine Gründe mehr vorliegen.
Insofern sind wir dann doch wieder bei den drängenden gesellschaftlichen Problemen angelangt. Fragen wie »Wie gestalte ich gute Schulen?« oder »Wie schaffe ich positive Lebensumstände?«. Offensichtlich hat das, was wir erleben, denken, zu uns nehmen und generell, wie wir handeln, Auswirkungen auf unser gesamtes Leben und nicht nur auf unseren gegenwärtigen Alltag. Unsere jetzigen Aktivitäten bestimmen in Form eines individuellen Vererbungsgedächtnisses anscheinend auch das Verhalten und die Lebensumstände unserer Kinder und Kindeskinder und schon allein deshalb sollten wir uns bemühen, alles ein Stück weit besser zu machen. Uns besser zu ernähren, ausreichend Sport zu treiben, gute Bücher zu lesen, ab und zu ein bisschen aggressive Rap-Musik zu hören und uns ansonsten größtmöglich gegenseitig zu respektieren. Denn vielleicht vererbt sich ja auch so etwas wie unangenehme Gefühle und schlechte Erfahrungen, Abneigungen und Hass.
Dann müsste man bei dem Gedanken, dass Menschen aufgrund ihrer Gene dies und jenes tun, auch immer mitdenken, dass wir aus diesem Genmaterial nicht das Beste herausgeholt haben.
Heißt also, zurück auf Start und weiter in die Bildung investieren. Genetische Ausreden gibt es leider keine!
Fickst du mich – fick ich dich!
Die Gewaltfrage
Was mir immer wieder auffällt und was meiner Meinung nach viel zu wenig diskutiert wird, ist das fundamental unterschiedliche Verhältnis zum Thema Gewalt, das in den verschiedenen Gesellschaftsschichten existiert. Während ein großer Teil der Gesellschaft niemals im Leben mit Gewalt in Berührung kommt, gehört Gewalt für einen ebenso großen Teil der Gesellschaft zum Alltag. Während es für den einen Teil der
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