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Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Titel: Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anis Mohamed Youssef Ferchichi , Marcus Staiger
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Grunde ist da fast kein Unterschied. Menschen, Tiere, alles gleich.
    Ich bin halb deutsch, halb arabisch und stecke auch immer in der Zwickmühle zwischen meinen beiden Genpools. Als Araber müsste ich zum Beispiel stets die Gesellschaft von anderen suchen. Große Gruppen, genau mein Ding! Natürlich mag ich das, ich bin gerne gesellig, aber auf der anderen Seite liebe ich es auch, wenn ich ganz allein zu Hause bin. Am liebsten würde ich manchmal behaupten, dass ich noch voll viel zu erledigen habe, aber in Wahrheit sitze ich dann nur hier, ganz allein, und bin für mich. Das würden andere aus meinem Freundeskreis nie tun, weil sie immer in der Gruppe sein wollen. Im Café chillen, zwanzig Leute um sich herum, einen zum Essenholen schicken, Karten spielen, einem anderen ’ne Nackenschelle geben. Das ist wie bei einem Wolfsrudel. Das ist genau dasselbe. Keine großen Unterschiede. Die Gene!
    Die Deutschen suchen genetisch bedingt und instinktiv die Ruhe. Einsame Fleckchen im Wald. Allein auf der Steilklippe mit Blick aufs Meer, Caspar-David-Friedrich-mäßig, und manchmal geht es auch mir so. Ich muss mich schon oft dazu zwingen und das mit Absicht gut finden wollen, dieses Gruppending, dieses Abhängen im Rudel mit dem ganzen Rumgegröle, den Sprüchen, dem Angeben und dem Rumgespucke. Ich merke, dass ich aufgrund meiner deutschen Gene immer wieder einen Grund finden könnte, um zu sagen: »Nee, das finde ich nicht gut. Ich will allein sein.« So ist das mit den Genen!
    Auf Tour merke ich oft, dass die Deutschen und die Ausländer ganz unterschiedlich sind. Die Deutschen, die dabei sind, die arbeiten den ganzen Tag. Biologisch und genetisch liegt denen das im Blut und manchmal denke ich darüber nach, dass wir in unserer Crew auch einen Deutschen bräuchten, der nicht nur arbeitet, sondern auch ein bisschen mit uns rumhängt. So als Alibi und Aushängeschild, schließlich haben wir auch Schwarze dabei.
    Natürlich ist es auch genial, wenn man Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit, Korrektheit und Fleiß genetisch erklären kann. Genau das sind doch deutsche Tugenden und selbstverständlich werden diese vererbt. Da kann man nichts dafür oder dagegen machen, weil die Gene uns zwingen. Jeder Kampf wäre sinnlos. Die Biologie (oder war es die Zoologie?) ist einfach stärker und auch ich muss immer alles korrekt haben und ich schaffe es in vielen Situationen nur mit Zwang, etwas lockerer zu sein. Das ist auf jeden Fall genetisch, anders kann ich mir das nicht erklären.
    Wenn ich mir dann allerdings meine Mutter anschaue, bekommt dieses Weltbild ein paar Risse. Richtig große Risse und eigentlich stürzt es sofort krachend ein. Ich bin in einem deutschen Haushalt aufgewachsen, bei einer deutschen Mutter, aber wie schon öfter erwähnt, ist meine Mutter alles andere als »typisch deutsch«. Meine Mutter ist so dermaßen nicht deutsch, dass man es kaum glauben kann. Dabei ist sie genetisch rein deutsch. Fränkisch. In Deutschland aufgewachsen, nie woanders gelebt, gefangen in diesem deutschen Körper, mit einer orientalischen Seele. Genetik?
    Wie gerne möchte man sagen, dass die Menschen dies und jenes aus Instinkt machen. Instinktiv. Das erklärt alles. »Warum macht er das?« – »Man kann es nicht erklären, das macht er aus Instinkt. Das liegt in seinen Genen.«
    Die Genetik. Immer da. Immer verfügbar. Menschen verhalten sich komisch, man kann es nicht greifen, nicht richtig erklären und mit einem Mal holt man sie hervor, die Genetik, und alles wird klar. Irgendwie muss es doch in der Natur liegen. Irgendwo muss es doch herkommen. Von damals. Aus der Vergangenheit, als das Deutsche Reich 1871 gegründet wurde, oder war es zu Zeiten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation? Aber das waren ja alles Franzosen und Italiener und so. Richtige Deutsche? Wann gab es schon mal richtige Deutsche?
    Die Genetik ist so eine Sache. Liegt es wirklich an den Genen, dass die Deutschen heutzutage Kleinfamilien bevorzugen? Schließlich lebten auch sie früher in Großfamilien und vor hundert Jahren haben unter den ärmeren Arbeitern in Berlin zwei bis drei Familien zusammen in einer Wohnung gelebt. Liegt es wirklich an den Genen, dass die Deutschen so fleißig sind? Vielleicht haben die Vereinzelung der Deutschen, ihre Einsamkeit, ihre antifamiliäre Einstellung und ihre Kinderlosigkeit und auf der anderen Seite ihre hohe Arbeitsbereitschaft sowie ihre Produktivität weniger mit ihrer genetischen Veranlagung zu tun als

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