Auf Amerika
Geld schon gar nicht, denn, sagte er, was er brauche, das habe er, und was ihm nicht fehle, das brauche er nicht. Der Wirt sah das genauso, und von den Seiler’schen Geschäftsgebaren nichts zu halten hatte er sich, wie viele im Ort, auch längst angewöhnt.
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Lange schaut sich der Veit meine Tafel mit den Hakelstecken an. Zählt er sie? Schaut er jeden einzeln an? Er lacht, so dass man seine drei übriggebliebenen Zähne sieht, braune Stifte im Mund. Besser, sagt er, hätte er die auch nicht malen können, das seien schöne Hakelstecken, sagt er, viele Hakelstecken, und keiner wie der andere, alle verschieden. Wie die Menschen, sagt er, die sehen ja auch alle, einer wie der andere, anders aus.
Der Lehrer, sagt er, der Herr Lehrer Geißreiter, das ist einer wie der Hochwürden, der Herr Pfarrer und wie dein Vater auch, Leute, die meinen, dass die Gescheitheit und die ganze Denkerei und Lernerei und das Bücherlesen und fremde Sprachen lernen für einen Menschen wichtig sind. Aber das ist ein Schmarren.
Nein, vom Lernen und vom In-die-Schule-Gehen hält der Veit nichts. Dengeln, Melken, Mähen, Dreschen, Schlachten, Schreinern, Kartoffelnklauben, das braucht der Mensch.
Pass auf, Bub, lern nicht zu viel, dass dir nachher am Ende der Kopf nicht weh tut.
Noch tut mir beim Hakelsteckenmalen der Kopf nicht weh, und die Hakelstecken werden langsam wie Soldaten. Nur ab und zu steht einer dazwischen, der zu den anderen Soldaten nicht passt, der auffällt.
Später, als ich aufs Gymnasium gehe, schaut mich der Veit oft lange nachdenklich und besorgt an, wie einen der Doktor bei der Schuluntersuchung anschaut. Ob mir denn wirklich der Kopf nicht weh tut von allen fremden Sprachen und Zahlen und Büchern, warum ich denn nicht Schreiner geworden bin, mit meinen geschickten Händen.
Käsig bist du und dürr, dass man sich Höllen fürchten muss. Kein Gramm Fleisch ist dran an dir und kein Schmalz hast du, da wirst du nicht einmal ein Fass Bier tragen können. Willst du eventuell Pfarrer werden oder Lehrer oder was?
Baumeister will ich werden, Ingenieur oder Architekt. Häuser und Brücken und Kirchen will ich einmal bauen.
Ja dann. Als so einer brauchst du ja kein Fass Bier nicht tragen können.
17
Der Kreitmeier-Benno, der in der Schule neben mir saß, war das vierte von elf Kindern. Die Eltern hatten einen kleinen Bauernhof, der die große Familie recht und schlecht ernährte. In jede Schulklasse ging ein Kind von ihnen. Wie die Orgelpfeifen, sagte meine Mutter, die selbst gerne, glaube ich, mehr Kinder gehabt hätte.
Der Kreitmeierhof war der heruntergekommenste Hof in Hausen. Die Kreitmeierin, eine dürre, immer freundliche Frau, kam mit Mühe mit dem Haushalt und den Kindern zurecht, und der Kreitmeier, ein kleines dünnes Männlein, hätte die Landwirtschaft gar nicht machen können, wenn nicht alle Kinder, vor allem die älteren, mitgeholfen hätten. Der Älteste, Jakob, wurde schon als Jugendlicher als der eigentliche Kreitmeierbauer angesehen. Trotz der vielen helfenden Hände gelang es nicht, auf dem Hof und im Haus eine Ordnung zu halten oder das Scheunendach zu reparieren, die Regenrinne des Hauses zu ersetzen, wo aus den Rostlöchern das Wasser floss, oder die Kühe, die an ihrem Hinterteil einen Panzer aus eigener getrockneter Scheiße hatten, abzuspritzen. Wie die Tiere, so hatten beim Kreitmeier auch die Menschen keinen Anspruch auf Sauberkeit. Die kleinen Kinder liefen völlig verdreckt herum. Aber, sagte mein Vater, sie sind alle gesund, was sollte also das ewige Waschen und Baden, was meiner Mutter so wichtig war?
Beim Kreitmeier geht es zu wie bei den Pollacken, sagte die Lammermutter, obwohl sie gar keinen Pollacken, wie man bei uns zu den Polen sagte, kannte. Da geht es auf Gant, sagten die Leute, was so viel heißt wie Zwangsverkauf und Armut. Wie furchtbar, dachte ich, wo sollten die denn mit den vielen Kindern hingehen? Es blieb die ganzen Jahre, wie es war, und die Leute in Hausen zerrissen sich das Maul über die Zustände beim Kreitmeier. Aber später, als alle elf Kinder es zu etwas gebracht hatten, ein Handwerk gelernt hatten, auf die Handelsschule oder auf Hauswirtschaftsschulen gingen, einer sogar aufs Gymnasium, der Lehrer wurde, bewunderten sie das schon.
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Der Benno sitzt nicht nur in der Schule neben mir, er ist auch mein bester Freund. Wann immer er Zeit hat, wenn er nicht daheim arbeiten muss, sind wir zusammen. Das dauert über die ganzen Jahre, solange ich in die
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