Nie zuvor so geliebt
1. KAPITEL
Gemächlich fuhr Chris Cochran die Auffahrt zur O’Brien-Ranch hinauf. Er hatte sie nicht mehr besucht, seit er und Maribeth O’Brien vom College abgegangen waren, und das lag nun vier Jahre zurück.
In vier Jahren kann viel geschehen, dachte er und blickte sich um. Die Ranch erweckte unzählige Erinnerungen in ihm. In vielerlei Hinsicht kehrte er in die glücklichste Zeit seiner Kindheit zurück.
Vier Jahre. Er fragte sich, welche Veränderungen in Maribeths Leben stattgefunden haben mochten.
Die Ranch schien zu florieren. Das überraschte ihn nicht. Travis Kane, der mit Maribeths ältester Schwester verheiratet war, hatte sich einen Namen als Pferdezüchter und Trainer gemacht, seit er sich aus dem Rodeo-Geschäft zurückgezogen hatte.
Während Chris zum Haupthaus hinauffuhr, das auf einem Hügel stand, bemerkte er mehrere neue Nebengebäude. Außerdem fielen ihm neue Weiden auf. Und der einstige Kiesweg war nun aspha ltiert. Es freute ihn, dass es den O’Briens offenbar gutging.
Eigentlich war Maribeth das letzte Familienmitglied, das O’Brien hieß. Als ihre Schwester Megan geheiratet hatte, war in der Umgebung gemunkelt worden, dass der Name der Ranch geändert werden würde. Doch dieses Gerede war schnell wieder verstummt. Megan hatte darauf hingewiesen, dass der Besitz bereits seit über hundert Jahren diesen Namen trug und weiterhin so heißen sollte, solange auch nur ein Mitglied der Familie dort lebte.
Chris stellte seinen Wagen vor dem Zaun ab, der das große Haupthaus von den übrigen Gebäuden trennte. Er stieg aus und streckte seine langen Gliedmaßen. Vor gut fünf Stunden war er in Dallas aufgebrochen. Keine schlechte Zeit für die Strecke nach Agua Verde im Herzen von Texas.
„Sieh an, wen haben wir denn da!”
Chris lächelte der Frau zu, die über den Rasen zu ihm lief. „Chris Cochran! Ich habe dich beinahe nicht erkannt, so lange ist es schon her, seit du dich hier sehen gelassen hast.” Sie öffnete das Tor und winkte ihn herein. „Das Stadtleben scheint dir gut zu bekommen, Cowboy. Du siehst wirklich prima aus.”
„Es ist schön, dich zu sehen, Megan”, sagte er und schloss sie flüchtig in die Arme. „Du siehst auch blendend aus. Dir scheint das Eheleben zu bekommen.”
Er hatte Maribeths Schwestern schon immer gemocht. Es waren liebevolle, bescheidene Menschen, die ihn um seiner selbst willen akzeptierten. In den Kreisen hingegen, in denen er nun verkehrte, schenkte man ihm überschwängliche Beachtung, weil er Kenneth Cochrans einziger Erbe war.
„Du erinnerst dich doch an Mollie, oder?” fragte Megan und deutete zu der anderen Frau, die sich nun näherte. „Nach all den Stürmen in letzter Zeit genießen wir gerade den herrlichen Sonnenschein und lassen die Kinder zusammen draußen spielen. Bei der Größe unserer Familien könnten wir problemlos unseren eigenen Kindergarten eröffnen.”
Chris nickte der anderen Schwester zu und rückte sich seinen Stetson zurecht. „Hallo, Mollie.”
„Ich nehme an, du bist ein paar Tage früher gekommen, um deine Mom und deine Großeltern vor der Hochzeit zu besuchen, stimmt’s?” fragte Megan. „Bist du bereit, dich herauszuputzen und von allen anstarren zu lassen?”
„Ich werde mich schon irgendwie durchwursteln”, entgegnete Chris gelassen. „Da wir gerade von der Hochzeit reden - ist Maribeth in der Nähe?” Er blickte sich um, sah sie jedoch nicht bei den Kindern, die noch immer friedlich miteinander spielten, obwohl ihre Mütter gerade nicht aufpassten.
„Natürlich. Seit der neue Pferdestall fertig ist, schläft sie praktisch dort und versorgt die neugeborenen Fohlen. Vielleicht gelingt es dir eher als uns, sie von dort wegzulocken. Du kannst ihr sagen, dass wir frische Limonade für euch beide haben.”
Chris blickte zum neuesten und größten Gebäude auf dem Anwesen hinüber, bevor er sich wieder an Megan wandte. „Ich werde sehen, was ich tun kann, aber ich verspreche nichts.
Maribeth macht immer, was sie will.”
„Wem sagst du das?” stimmte Megan zu.
Sie muss es am besten wissen, dachte Chris, während er zum Stall ging. Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr, als ihre Eltern gestorben waren, ersetzte sie Maribeth Mutter und Vater. Mollie hatte damals zehn und Maribeth acht Jahre gezählt.
Er hegte große Bewunderung für diese Liebe und Loyalität innerhalb der Familie. An beidem hatte es in seiner Kindheit gemangelt, und manchmal beneidete er Maribeth ein wenig.
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