Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
bleibt und gelegentlich in der Bibliothek Bücher aus der zweiten Reihe holt, dann fällt auf, dass die Fragen der Gründerväter der Physik keineswegs beantwortet wurden, sondern oft verdrängt, ja gelegentlich durch Ausreden aus der Welt geschafft wurden, die nur vermeintlich erklären. Schlimmer noch, sogar einige der riesigen Experimente, die wir beispielsweise am CERN durchführen, müssen aus der Perspektive der ungelösten Probleme von damals als ein geschäftiges Auf-der-Stelle-Treten erscheinen, während das eigentliche Verständnis stillsteht.
Tatsächlich ist hier der Laie oft intuitiv kompetent, denn viele Menschen empfinden einen schalen Nachgeschmack, wenn sie in populären Darstellungen von den neuesten Erkenntnissen über fundamentale Fragen erfahren, und das befriedigende Gefühl, etwas verstanden zu haben, will sich nicht recht einstellen, selbst wenn man sich mit Dunkler Energie, Quarks, Schwarzen Löchern oder Neutrinos vertraut gemacht hat. Ich möchte Sie in diesem Buch ermuntern, Konzepte zu hinterfragen, die sich, obwohl sie als gesicherte Beobachtungen gelten, doch sehr weit von jeder Anschaulichkeit entfernt haben. Die dazugehörigen Experimente haben eine Faszination für sich, aber sie lenken in ihrer Komplexität manchmal ab von grundlegenden Problemen, die die Physik seit langem mit sich herumträgt.
Aber lohnt es sich, Fragen nachzugehen, die Tausende von Wissenschaftlern in Jahrzehnten intensiver Forschung noch nicht beantworten konnten? Klingt es nicht vermessen, das überhaupt zu versuchen? Mir ist bewusst, dass eine gewisse Anmaßung darin liegt, über die fundamentalen Rätsel der Natur nachzudenken, die auch ein Einstein, Schrödinger oder Dirac nicht gelöst haben. Doch ihre Gedanken verdienen wenigstens erwähnt zu werden, und im Tagesgeschäft der großen Forschungsprojekte gehen sie leider völlig unter. Viele, die dort tätig sind, können heute nicht mehr benennen, worüber sich jene Genies gewundert haben. Es ist dieser Fokus auf die Gegenwart, den ich wirklich anmaßend finde.
Das schönste Lob, das ich bei einem Vortrag je erhalten habe, war, meine Ansichten ließen eine tiefe Liebe zur Physik erkennen. Im Moment ist es allerdings eine schwierige Beziehung. Ich kann mich für manchen hundert Jahre alten Artikel begeistern, bin aber gleichzeitig fassungslos, wie viele Spekulationen mit sinnlosen Rechnungen die Physik überschwemmen. Und noch tiefer beunruhigt mich, wie unverstandene Modelle und nicht mehr durchschaubare Experimente unter Wissenschaftlern nur noch nacherzählt werden. Ich verstehe, dass die Nerven von Physikern manchmal blank liegen, wenn ich Zweifel anmelde an etablierten Konzepten des momentanen Weltbildes, die jahrelanger Forschungsarbeit zu Grunde lagen. Aber in der Wissenschaft muss es erlaubt bleiben, Fragen zu stellen, zumindest aber an Worte zu erinnern wie an mein Lieblingszitat von Erwin Schrödinger, das sinngemäß lautet:
„Ist das Problem erst durch eine Ausrede beseitigt, braucht man auch nicht mehr darüber nachzudenken.“
Ich gestehe, dass ich Zitate oft außerhalb des Kontextes verwende. Schrödinger hat sich nicht über die Dunkle Materie geäußert und Galilei nicht über die Stringtheorie. Dennoch geht mir manchmal durch den Kopf, was sie dazu gesagt haben könnten . Und vielleicht stimmen Sie ja mit mir überein, dass die im Buch verstreuten Zitate oft ein Gewicht für sich haben. Während die heutige Physik immer mehr zum Ideenlieferanten für Science-Fiction-Filme zu werden scheint, bewundere ich die Ernsthaftigkeit, mit der die alten Denker an die Physik herangingen. Aber auch der Inhalt ein paar vergessener Perlen von Einstein, Schrödinger, Dirac und anderen sollte dringend aufgegriffen werden, und im letzten Abschnitt versuche ich, Sie für diese faszinierenden Ideen zu begeistern. Weil diese kaum mit den etablierten Modellen vereinbar sind, plädiere ich ganz am Ende des Buchs für einen Vorschlag zur Methodik, der die Mechanismen der kollektiven Überzeugung vielleicht aufbrechen kann: eine neue Art von Transparenz bei Experimenten, die eigentlich jeder für wünschenswert halten sollte, der an einer Physik ohne Wissenschaftsgläubigkeit interessiert ist.
Bis dorthin erwartet Sie in den Abschnitten 2 bis 6 eine kritische Reise durch die Physik, die manche Forscher zum Widerspruch herausfordern wird. Ausgehend von den elementaren Begriffen unserer Wahrnehmung, wie Raum, Zeit und Masse, bewegen sich die Themen Atom,
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