0008 - Der Vulkanteufel von Hawaii
Ins Gesicht hatte es ihnen keiner gesagt, aber Nathaniel und Reggie Renner wußten, daß sie für verrückt gehalten wurden.
Sobald das Fotografenehepaar aus England von seinem Vorhaben erzählte, fällten die Blicke der Zuhörer ein vernichtendes Urteil über diesen verwegenen Plan. Nathaniel und Reggie hatten die Absicht, in den Krater des Vulkans Moano hinabzusteigen, um dort unten Aufnahmen zu machen, wie noch kein Mensch vor ihnen.
Reggie, dreißig Jahre alt, zäh, keine Schönheit, aber eine Frau, mit der man Pferde stehlen konnte, lächelte ihren Mann zuversichtlich an.
»Alle Welt wird unsere Fotos haben wollen. Die Aufnahmen werden weggehen wie warme Semmeln. Wir werden mit einem Schlag berühmt sein, Nat.«
Nathaniel freute sich bei diesem Gedanken. Er war fünf Jahre älter als Reggie, ein bulliger Bursche mit sehnigen Händen, die kräftig zupacken konnten. Noch nie im Leben hatte er harte Arbeit gescheut, auch nicht, als er sich vor zehn Jahren den nervenden Job eines Fotoreporters als Broterwerb aussuchte. Nathaniel war ständig auf der Suche nach Sensationen. Mehr als einmal hatte er sein Leben schon aufs Spiel gesetzt, um Fotos zu bekommen, die die Konkurrenz nicht anzubieten vermochte. O ja, es war ein hartes, aufreibendes Geschäft, von dem er lebte, aber es machte ihm Spaß, und Reggie dachte zum Glück genauso wie er. Auch sie liebte das Abenteuer, den Nervenkitzel in kritischen Situationen. Hürden waren für sie da, um übersprungen zu werden. Resignation kam nicht in Frage. Nat Renner hätte sich keine bessere Frau wünschen können.
Vielleicht nahmen sie deshalb so waghalsige Risiken auf sich, weil sie keine Kinder hatten, auf die sie Rücksicht nehmen mußten. Reggie hatte sich mit zwanzig einer Unterleibsoperation unterziehen müssen. Sie hatte lange Zeit darunter gelitten, keine Kinder mehr bekommen zu können, doch nun war sie darüber hinweg. Nathaniel vertrat den Standpunkt, man könne auch ohne Kinder glücklich sein. Und er hatte Reggie oft beteuert, daß er sie auch ohne Kindersegen liebe. Gemeinsam gingen sie in ihrer Arbeit auf und fanden hier Befriedigung und Selbstbestätigung. Der gemeinsame Beruf hatte sie zu einem untrennbaren Gespann zusammengeschweißt, und sie hatten beide das Gefühl, ohne den anderen nicht existieren zu können.
Sie standen am Rande des Moano-Kraters, aus dem ununterbrochen glühender Aschenregen hochgeschleudert wurde. Asbestanzüge wären die bessere Lösung gewesen, das erkannte Reggie leider erst jetzt.
Sie trug eine alte Nato-Jacke, helle Cord-Jeans und einen leuchtendroten Schutzhelm, den Bergsteigerpickel hatte sie im dunklen Lavaboden verankert. Man hatte ihnen x-mal von ihrem Vorhaben abgeraten, doch sie hatten alle Warnungen in den Wind geschlagen.
»Der Krater zieht uns magisch an«, hatten sie immer wieder gesagt, und sie waren davon überzeugt, daß es so schlimm nicht kommen würde.
In der Tiefe des glutenden Schlundes brodelte die leuchtende Lava. Den Renners war klar, daß sie die geplanten Aufnahmen unter Lebensgefahr machen müßten. Doch ohne ein solches Risiko konnten nicht die Fotografien entstehen, die sie in aller Welt berühmt machen sollten. Aufnahmen vom Kraterrand konnte jeder schießen. Die Renners wollten etwas Besonderes bieten.
Schlimm würde es erst in der Nähe des kochenden Lavasees werden, denn da stiegen giftige Dämpfe auf, die zu schweren Schädigungen der Atemwege, wenn nicht gar zum Tod führen konnten.
Es gehörte ein gehöriges Quantum Wahnwitz dazu, diesen gefährlichen Abstieg in den Höllenschlund zu wagen. Reggie schlang sich das rote widerstandsfähige Kletterseil um den Leib und befestigte es mit Karabinerhaken am Gürtel. In der Tiefe gurgelte, brodelte und pfiff es. Das Ehepaar wollte sich einen ganzen Tag in dieser siedendheißen Hölle aufhalten und mit den lichtstarken Robotkameras so viele Fotos wie möglich schießen.
Reggie prüfte den Sitz des Seils und sagte dann: »Fertig. Ich bin bereit, den Schmelzofen im Bauch der Erde zu betreten.«
Nathaniel Renner nahm das Gesicht seiner Frau in beide Hände. »Ich möchte nicht, daß du zuviel riskierst, Reggie.«
»Mach dir um mich keine Sorgen, Nat.«
»Keine Fotos um jeden Preis, hörst du?«
»Okay.«
»Ich weiß nicht, wie die Sache hier enden wird…«
»Triumphal!« sagte Reggie lachend. »Wie könnte es bei einem Gespann wie uns beiden denn anders sein?«
»Ich möchte dir für all die Opfer und Entbehrungen danken, die du all die
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