Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf dem Jakobsweg

Auf dem Jakobsweg

Titel: Auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Coelho
Vom Netzwerk:
waren die einzigen, die in der Bar etwas tranken. Draußen brannte die Sonne. Es war unsere Siesta-Zeit. Kurz darauf kam der Wirt mit dem Dorfpfarrer zurück.
»Wer sind diese Herren?« fragte der Pfarrer.
Petrus wies auf die Jakobsmuschel auf seinem Rucksack. Tausend Jahre hindurch waren Pilger auf dem Weg vor dieser Bar vorbeigezogen, und die Tradition wollte, daß jeder Pilger geehrt und aufgenommen wurde. Der Pfarrer wechselte sofort seinen Ton.
»Wie ist es möglich, daß Pilger auf dem Jakobsweg schlecht über Jesus reden?« fragte er, und sein Tonfall klang so wie beim Katechismusunterricht.
»Niemand spricht hier schlecht über Jesus. Wenn wir uns über etwas negativ geäußert haben, dann war es über die im Namen Jesu verübten Verbrechen. Wie zum Beispiel die Verbrennung des Zigeuners hier auf dem Platz.«
Die Jakobsmuschel auf Petrus' Rucksack hatte auch den Wirt seinen Ton ändern lassen. Diesmal wandte er sich respektvoll an ihn.
»Der Fluch des Zigeuners wirkt heute noch«, sagte er, während ihn der Pfarrer tadelnd ansah.
Petrus wollte wissen, wie. Der Pfarrer sagte, das seien Geschichten, die sich das Volk erzähle. Die Kirche unterstütze dies keineswegs. Doch der Wirt fuhr fort:
»Bevor er starb, sagte der Zigeuner, daß das jüngste Kind des Dorfes seine Dämonen empfangen und von ihnen besessen sein werde. Wenn dieses Kind alt werde und sterbe, würden die Dämonen auf ein anderes Kind übergehen. Und dies über die Jahrhunderte.«
»Das Land hier ist genauso wie das der umliegenden Dörfer. Wenn sie unter der Dürre leiden, tun wir es auch. Wenn es dort regnet und die Ernte gut ist, füllen auch wir unsere Kornspeicher. Hier geschieht nichts, was nicht auch in den anderen Dörfern geschieht. Diese Geschichte ist pure Erfindung.«
»Nichts ist geschehen, weil wir den Fluch aus unserem Dorf verbannt haben.«
»Nun, dann gehen wir doch zu ihm hin«, entgegnete Petrus. Der Pfarrer lachte und sagte, das sei ein Wort. Der Wirt schlug das Kreuz. Doch niemand rührte sich.
Petrus zahlte die Zeche und bestand darauf, daß jemand uns zu der Person führte, die mit dem Fluch belegt war. Der Pater entschuldigte sich damit, daß er in die Kirche zurück müsse, wo noch Arbeit auf ihn wartete. Und er ging, bevor wir anderen etwas sagen konnten.
Der Wirt sah Petrus ängstlich an.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte mein Führer. »Sie brauchen uns nur das Haus zu zeigen, in dem er lebt. Und wir werden versuchen, die Stadt vom Fluch zu befreien.« Der Wirt trat mit uns auf die staubige Straße in die heiße Mittagssonne. Wir gingen zusammen bis zum Ortsausgang, und er wies auf ein in einiger Entfernung am Jakobsweg gelegenes Haus.
»Wir schicken immer Essen und Kleidung, alles, was man so braucht«, entschuldigte er sich.
»Aber selbst der Pfarrer geht nicht dorthin.«
Wir verabschiedeten uns von ihm und begaben uns zu dem Haus. Der Mann blieb abwartend stehen. Vielleicht dachte er, wir würden an dem Haus vorbeigehen. Doch Petrus ging auf die Vordertür zu und klopfte. Als ich zurücksah, war der Wirt verschwunden.
Eine etwa sechzigjährige Frau kam an die Tür. Neben ihr wedelte ein riesiger schwarzer Hund mit dem Schwanz und schien sich über den Besuch zu freuen. Die Frau fragte, was wir denn wollten, sie habe zu tun, sie sei gerade dabei, Wäsche zu waschen, und ein paar Töpfe stünden auf dem Feuer. Sie schien von unserem Besuch nicht überrascht zu sein. Ich führte das darauf zurück, daß schon viele Pilger, die von dem Fluch nichts wußten, auf der Suche nach Unterkunft bei ihr angeklopft hatten.
»Wir sind Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela und hätten gern etwas heißes Wasser«, sagte Petrus. »Ich bin sicher, Sie werden es uns nicht abschlagen.«
Etwas unwillig öffnete die Alte die Tür. Wir traten in ein kleines, sauberes, spärlich möbliertes Zimmer. Es standen dort ein Sofa, dessen Plastiküberzug eingerissen war, eine Anrichte und ein Resopaltisch mit zwei Stühlen. Auf der Anrichte befanden sich ein Bild des Heiligen Herzens Jesu, einige Heilige und ein aus Spiegeln gefertigtes Kruzifix. Das Zimmer hatte zwei Türen. Durch die eine konnte ich das Schlafzimmer sehen. Die Frau geleitete Petrus durch die andere zur Küche.
»Ich habe gerade kochendes Wasser auf dem Herd«, sagte sie. »Ich hole schnell ein Gefäß, und dann können Sie weiterziehen.«
Ich blieb mit dem riesigen Hund im Wohnzimmer. Er wedelte zufrieden und freundlich mit dem Schwanz. Kurz darauf kam die Frau

Weitere Kostenlose Bücher