Auf dem Jakobsweg
einen Sieg setzte. Vorsichtig hielt ich zuerst mein Haar, dann meinen Kopf in das reißende Wasser, das über mir toste.
Das Wasser umhüllte mich ganz und trübte meine Sicht. Ich spürte seinen Aufprall und klammerte mich fest an den Felsen. Dabei hielt ich den Kopf gesenkt, um so eine Luftblase zu bilden, in der ich atmen konnte. Ich vertraute meinen Händen und meinen Füßen vollkommen. Meine Hände hatten schon ein altes Schwert gehalten, meine Füße waren den Jakobsweg gegangen, und sie halfen mir jetzt. Dennoch machte mich das Tosen des Wassers fast taub, und ich rang nach Atem. Ich beschloß, den Wasserstrom mit dem Kopf zu durchstoßen, und sekundenlang war alles um mich herum schwarz. Ich hielt mich mit Händen und Füßen an den Vorsprüngen, doch der Lärm des Wassers schien mich an einen Ort zu tragen, einen geheimnisvollen fernen Ort, an dem nichts mehr wichtig war, wo ich mich physisch nicht überfordern mußte und wo es nur Ruhe und Frieden gab.
Meine Füße und Hände widerstanden der tödlichen Versuchung, mich einfach fallen zu lassen. Und mein Kopf tauchte langsam wieder aus dem Wasser auf. Eine innige Liebe zu meinem Körper erfaßte mich, der mir den abenteuerlichen Weg zu meinem Schwert bestehen half.
Als mein Kopf ganz aus dem Wasser heraus war, sah ich die Sonne über mir leuchten, und ich atmete die Luft um mich herum tief ein. Das gab mir wieder Kraft. Ich schaute um mich und sah wenige Zentimeter über mir die Hochebene, auf der wir zuvor gewandert waren und die das Ende unserer Tagesreise war. Es fiel mir schwer, nicht sofort loszustürzen, doch wegen des fallenden Wassers konnte ich keine Einbuchtung sehen, und so verharrte ich in der schwierigsten Position des gesamten Aufstiegs. Das Wasser prallte gegen meine Brust, als wollte es mich zur Erde zurückzwingen, die ich um meiner Träume willen zu verlassen gewagt hatte.
Jetzt war nicht der Moment, um an Meister und Freunde zu denken. Und ich konnte auch nicht den Kopf wenden, um nachzusehen, ob Petrus da war und mich notfalls retten konnte, falls ich abrutschen sollte. Er hat sicher diesen Aufstieg schon Tausende von Malen gemacht, dachte ich, und weiß genau, daß ich seine Hilfe verzweifelt brauche. Doch er läßt mich im Stich. Oder vielleicht läßt er mich auch nicht im Stich und steht hinter mir, doch ich kann den Kopf nicht wenden, weil ich sonst das Gleichgewicht verliere. Ich muß meinen Sieg ganz allein erringen.
Meine Füße und eine Hand krallten sich weiter in den Fels, während sich die andere Hand löste und versuchte, in Einklang mit dem Wasser zu gelangen. Sie durfte nicht den kleinsten Widerstand leisten, denn ich brachte bereits all meine Kräfte auf. Meine Hand, die das wußte, wurde zu einem Fisch, der sich dem Wasser hingab, jedoch genau wußte, was er wollte. Mir fielen die Filme meiner Kindheit wieder ein, in denen ich Lachse gesehen hatte, die Wasserfälle hinaufsprangen, weil sie ein Ziel hatten und es genau wie ich erreichen mußten. Der Arm reckte sich langsam empor, machte sich wie ein Lachs die Kraft des Wassers zunutze, tauchte wieder ins Wasser ab, suchte nach Halt an den über die Jahrhunderte glattgespülten Steinen. Irgendwo mußte es doch eine Einbuchtung geben: Wenn Petrus es geschafft hatte, schaffte ich das auch. Alles tat mir weh, kurz vor dem Ziel erlahmten meine Kräfte, verlor ich die Zuversicht. Häufiger schon hatte ich in meinem Leben im letzten Augenblick verloren: Ich hatte einen Ozean durchschwömmen und war an den letzten kleinen Wellen, die sich am Ufer brachen, gescheitert. Doch jetzt war ich auf dem Jakobsweg, und dieses Scheitern konnte sich nicht ewig wiederholen - heute mußte ich siegen.
Die freie Hand fuhr über den glatten Stein. Der Druck des Wassers nahm zu. Ich spürte, daß der Rest meines Körpers sich verkrampfte. Da plötzlich fand die freie Hand eine Einbuchtung im Stein. Sie war nicht groß und lag außerhalb der Aufstiegsroute. Die andere Hand konnte sich dort aufstützen, wenn sie an der Reihe war. Ich merkte mir die Stelle, und die freie Hand ging weiter auf die Suche nach meiner Rettung. Wenige Zentimeter von der ersten Einbuchtung wartete eine andere auf mich. Das war sie. Das war die Stelle, die seit Jahrhunderten den Pilgern auf dem
DER ATEM DER R.A.M.
Lasse alle Luft aus deinen Lungen strömen, leere sie soweit wie möglich. Dann atme langsam ein, während du die Arme hebst. Konzentriere dich beim Einatmen, damit Liebe, Friede und Einklang mit dem Universum in
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