Auf dem Jakobsweg
dich einziehen.
Halte so lange wie möglich bei erhobenen Armen die Luft an und genieße die innere und äußere Harmonie. Dann stoße schnell die ganze Luft aus und sprich dabei das Wort R.A.M. Wiederhole dies fünf Minuten lang.
Jakobsweg als Stütze gedient hatte. Ich klammerte mich mit aller Kraft dort fest. Die andere Hand löste sich, wurde von der Macht des Flusses zurückgeworfen. Doch sie beschrieb einen großen Bogen im Himmel und fand die Stelle, die sie erwartete. Mein Körper folgte dann in einer einzigen Bewegung dem Weg, den meine Hände gebahnt hatten, und ich hievte mich nach oben.
Der letzte große Schritt war getan. Mein ganzer Körper durchstieß das Wasser, und im Augenblick darauf war der Wasserfall nur mehr ein zahmes Bächlein. Ich schleppte mich ans Ufer und überließ mich meiner Erschöpfung. Die Sonne brannte auf meinen Körper und wärmte mich. Und ich wurde mir wieder bewußt, daß ich gesiegt hatte, daß ich lebendig war wie vorher, als ich in dem See dort unten gestanden hatte. Durch das Rauschen des Wassers hindurch hörte ich Petrus' Schritte näher kommen.
Ich wollte aufstehen, um meine Freude zu zeigen, doch mein erschöpfter Körper weigerte sich.
»Bleib ruhig liegen, ruh dich aus«, sagte er. »Versuch langsam zu atmen.«
Ich fiel sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Als ich erwachte, war die Sonne schon quer über den ganzen Himmel gewandert, und Petrus, der inzwischen wieder angekleidet war, reichte mir meine Wäsche und sagte, wir müßten nun weitergehen.
»Ich bin zu müde«, wandte ich ein.
»Laß nur. Ich werde dich lehren, Energie aus allem zu beziehen, was dich umgibt.«
Und Petrus lehrte mich den Atem der R.A.M.
Ich machte die Übung fünf Minuten lang und fühlte mich besser. Ich erhob mich, zog mich an und nahm meinen Rucksack. »Komm her«, sagte Petrus.
Ich ging bis zum Rand der Hochebene. Unter meinen Füßen toste der Wasserfall.
»Von hier oben sieht es bedeutend einfacher aus als von unten«, sagte ich.
»Genau. Und wenn ich dir diesen Ausblick vorher gezeigt hätte, wäre das ein Verrat an dir gewesen. Du hättest deine Möglichkeiten falsch eingeschätzt.«
Ich war noch schwach und machte die Übung noch einmal. Allmählich kam das Universum um mich herum in Einklang mit mir und drang in mein Herz. Ich fragte Petrus, warum er mir den Atem der R.A.M. nicht schon früher beigebracht habe, denn ich sei auf dem Jakobsweg häufig matt und müde gewesen. »Weil du es nie gezeigt hast«, sagte er lachend und fragte mich, ob ich noch ein paar von diesen köstlichen Butterkeksen aus Astroga hätte.
Die Verrücktheit
Seit drei Tagen machten wir nun schon diesen Gewaltmarsch. Petrus weckte mich vor Tagesanbruch, und erst gegen neun Uhr abends machten wir Rast. Gerastet wurde jetzt nur noch wahrend der Mahlzeiten, denn mein Führer hatte die Siesta am frühen Nachmittag abgeschafft. Ich hatte das Gefühl, daß er ein geheimnisvolles Programm erfüllte, das mir jedoch nicht mitgeteilt wurde.
Hinzu kam, daß er sein Verhalten vollkommen geändert hatte. Anfangs dachte ich, daß meine Zweifel am Wasserfall der Grund waren, doch das war es nicht. Er war gereizt und sah andauernd auf die Uhr, bis ich ihn daran erinnerte, daß er gesagt hatte, wir selbst schüfen uns unseren Zeitbegriff. »Du wirst ja jeden Tag klüger«, entgegnete er, »hoffentlich setzt du diese Klugheit im entscheidenden Moment auch ein.« Eines Nachmittags war ich vom schnellen Wandern so erschöpft, daß ich einfach nicht mehr aufstehen konnte. Da befahl mir Petrus, mein Hemd auszuziehen und mein Rückgrat an einen nahen Baum zu lehnen. Schon nach wenigen Minuten fühlte ich mich besser. Er erklärte mir, daß die Pflanzen, vor allem ausgewachsene Bäume, imstande sind, Harmonie zu übertragen, wenn jemand sein Nervenzentrum an den Stamm lehnt. Er sprach ausführlich über die physischen, energetischen und spirituellen Eigenschaften der Pflanzen.
Da ich das alles schon gelesen hatte, machte ich mir nicht die Mühe, es zu notieren. Doch wenigstens glaubte ich jetzt nicht mehr, Petrus sei sauer auf mich, und ich konnte sein Schweigen mit mehr Respekt hinnehmen, während er sich seinerseits bemühte, seine schlechte Laune nicht mehr an mir auszulassen.
Eines Morgens kamen wir an eine riesige Brücke, die viel zu groß für das kleine Rinnsal war, das unter ihr durchfloß. Es war Sonntag und noch früh am Tag, und die Tavernen und Bars des nahen Städtchens waren noch geschlossen. Wir setzten uns
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