Auf dem Jakobsweg
nieder, um zu frühstücken.
»Mensch und Natur haben gleichermaßen ihre Launen«, sagte ich, um ein Gespräc h in Gang zu bringen. »Da bauen wir schöne Brücken über Flüsse, die dann plötzlich ihren Lauf ändern.«
»Das ist die Dürre«, sagte er. »Iß schnell dein Brot auf, wir müssen weiter.«
Ich wollte wissen, warum er es so eilig hatte.
»Ich bin schon ziemlich lange auf dem Jakobsweg«, sagte er. »Und in Italien wartet eine Menge Arbeit auf mich.«
Seine Antwort befriedigte mich nicht, auch wenn sie möglicherweise stimmte. Das konnte nicht der einzige Grund sein. Als ich noch einmal nachhakte, wechselte er das Thema. »Was weißt du über diese Brücke?«
»Nichts«, gab ich zurück. »Selbst wenn es hier keine Dürre gäbe, wäre sie unverhältnismäßig groß. Ich glaube wirklich, daß der Fluß seinen Lauf geändert hat.«
»Darüber weiß ich nichts«, sagte er. »Doch sie ist auf dem Jakobsweg als Paso Honroso, >der Ehrenhafte Übergang< bekannt. Die Felder vor uns waren der Schauplatz blutiger Schlachten zwischen Sueben und Westgoten und später zwischen den Soldaten Alfonsos III. und den Mauren. Vielleicht ist sie so groß, damit all das Blut unter ihr durchfließen konnte, ohne die Stadt zu überschwemmen.«
Sein makabrer Humor verfing bei mir nicht, und als ich nicht lachte, fuhr er verwirrt fort:
»Dennoch waren es nicht die Truppen der Westgoten noch die triumphierenden Schreie Alfonsos III., die der Brücke ihren Namen gegeben haben, sondern eine Geschichte von Liebe und Tod.
In den ersten Jahrhunderten des Jakobsweges, als aus ganz Europa Pilger hierherströmten, kamen nicht nur Patres, Edelleute und sogar Könige, die dem Heiligen ihre Ehrerbietung darbringen wollten, sondern es kamen auch Wegelagerer und Straßenräuber. Die Geschichte kennt unzählige Fälle von Überfällen auf ganze Pilgerzüge und entsetzliche Verbrechen, die an einsamen Wanderern begangen wurden.«
»Alles wiederholt sich«, sagte ich zu mir selber.
»Daher beschlossen einige Ritter, die Pilger zu schützen, und jeder übernahm den Schutz einer bestimmten Wegstrecke. Doch so wie die Flüsse ihren Lauf ändern, so ändern sich auch die Ideale der Menschen. Die fahrenden Ritter verjagten nicht nur die Bösewichter, sondern sie begannen sich untereinander den Ruhm streitig zu machen, der Stärkste und Mutigste auf dem Jakobsweg zu sein. Nicht lange, da begannen sie sich gegenseitig zu bekämpfen, und die Banditen trieben wieder ungestraft ihr Unwesen auf den Straßen.
Dies blieb so, bis sich 1434 ein Edelmann aus der Stadt Leon in eine Frau verliebte. Er hieß Don Suero de Quinones, war reich und mächtig und versuchte auf jede erdenkliche Art und Weise, die Hand seiner Angebeteten zu erringen. Doch diese Dame, deren Namen die Geschichte nicht überliefert hat, wollte diese unendliche Leidenschaft nicht einmal zur Kenntnis nehmen und wies seinen Heiratsantrag ab.«
Ich war gespannt zu hören, welche Verbindung es zwischen dieser verschmähten Liebe und dem Streit der fahrenden Ritter gab. Petrus, dem meine Neugier nicht entgangen war, meinte nur, er würde mir das Ende der Geschichte erst erzählen, wenn ich mein Brot aufgegessen hätte und wir wieder unterwegs wären.
»Du verhältst dich wie meine Mutter, als ich klein war«, sagte ich darauf. Doch ich schluckte das letzte Stück Brot herunter, nahm meinen Rucksack, und wir machten uns auf den Weg durch die schlafende Stadt.
Petrus fuhr fort:
»Unser Ritter, der in seinem Stolz gekränkt war, beschloß genau das zu tun, was Männer gemeinhin tun, wenn sie abgewiesen werden: Er begann seinen eigenen Krieg. Er legte vor sich selbst das Versprechen ab, eine so bedeutende Heldentat zu vollbringen, daß die Dame seinen Namen nie wieder vergessen würde. Monatelang suchte er ein hehres Ideal, dem er die abgewiesene Liebe weihen konnte. Bis er eines Nachts von den Verbrechen und Kämpfen auf dem Jakobsweg hörte. Da hatte er eine Idee.
Er versammelte zehn Freunde um sich, nahm seinen Wohnsitz in der Stadt, durch die wir gerade gehen, und ließ unter den Jakobspilgern verbreiten, er sei bereit, innerhalb von dreißig Tagen dreihundert Lanzen zu brechen, um zu beweisen, daß er der stärkste und mutigste aller Ritter des Jakobsweges sei. Er und seine Freunde kampierten dort mit ihren Fahnen, Standarten, Pagen und Dienern und warteten auf die Herausforderer.«
Ich stellte mir vor, was für ein Fest das gewesen sein mochte. Gebratene Wildschweine, Wein, der die ganze Zeit in
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