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Auf dem Jakobsweg

Auf dem Jakobsweg

Titel: Auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Coelho
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aber auch, daß ich bislang kein großes Wunder gesehen hätte. Meine Lehrjahre innerhalb der >Tradition< seien eher intellektuell ausgerichtet gewesen. Ich glaubte, daß ich, wenn ich mein Schwert wiedergefunden haben würde, imstande wäre, meinerseits die großen Dinge zu tun, die mein Meister tat.
»Aber das sind keine Wunder, weil sie die Gesetze der Natur nicht ändern. Mein Meister gebraucht seine Kräfte, um...« Ich brachte meinen Satz nicht zu Ende, weil ich keine Erklärung für die Tatsache fand, daß mein Meister Geister materialisieren konnte, daß er Gegenstände von ihrem Platz bewegte, ohne sie zu berühren, und daß er, wie ich es mehr als einmal gesehen hatte, in der dunklen Wolkendecke eines Nachmittags Lücken blauen Himmels öffnete.
»Vielleicht tut er das, um dich davon zu überzeugen, daß er das Wissen und die Macht besitzt«, entgegnete Petrus.
»Das ist möglich«, meinte ich etwas halbherzig.
Wir setzten uns auf einen Stein, weil Petrus mir sagte, er hasse es, im Gehen zu rauchen. Die Lungen nähmen dann mehr Nikotin auf, und davon würde ihm übel werden.
»Dein Meister hat dir das Schwert verweigert, weil du nicht weißt, aus welchem Grunde er die Wunder tut. Weil du vergessen hast, daß der Weg der Erkenntnis ein Weg ist, der allen Menschen offensteht, den ganz gewöhnlichen Menschen. Ich werde dich auf unserem Wege einige Exerzitien und Rituale lehren, die als die Praktiken der R.A.M. bekannt sind. Jedermann wird zu irgendeinem Zeitpunkt seines Lebens Zugang zu mindestens einer von ihnen finden. Jeder, der geduldig und klarsichtig sucht, kann sie alle, ohne Ausnahme, in den Lektionen entdecken, die uns das Leben erteilt. Die Praktiken der R.A.M, sind so einfach, daß Leute wie du, die die Angewohnheit haben, das Leben zu verkomplizieren, ihnen häufig keinen Wert beimessen. Doch sie und drei weitere Gruppen von Praktiken sind es, die den Menschen in die Lage versetzen, alles, wirklich alles zu erhalten, was er sich wünscht. Jesus lobte den Herrn, als seine Jünger begannen, Wunder zu tun und Kranke zu heuen, und er dankte Ihm, weil Er die Dinge vor den Weisen verbarg, sie indes den einfachen Menschen offenbarte. Schließlich sollte man, wenn man an Gott glaubt, auch glauben, daß Gott gerecht ist.«
Petrus hatte recht. Es wäre ungerecht von Gott, nur gelehrten Menschen, die über die Zeit und das Geld verfügen, um teure Bücher zu kaufen, Zugang zum wahren Wissen zu gestatten. »Den wahren Weg zur Weisheit erkennt man an drei Dingen«, erklärte Petrus. »Zuerst einmal muß er Agape enthalten. Darüber werde ich dir später etwas erzählen. Dann muß er im Leben praktisch anwendbar sein, sonst wird die
Weisheit nutzlos und verkommt wie ein Schwert, das niemals gebraucht wird. Schließlich muß es ein Weg sein, den jeder gehen kann. Wie diesen hier, den Jakobsweg.«
Wir waren den ganzen Nachmittag gewandert, und erst als die Sonne allmählich hinter den Bergen verschwand, beschloß Petrus erneut haltzumachen. Um uns herum leuchteten die höchsten Gipfel der Pyrenäen im Schein der letzten Lichtstrahlen des Tages.
Petrus bat mich, ein kleines Stück Erdboden zu säubern und darauf niederzuknien.
»Die erste Praktik der R.A.M. besteht darin, wiedergeboren zu werden. Du mußt sie sieben Tage hintereinander durchführen und dabei versuchen, auf eine andere Art und Weise deinen ersten Kontakt mit der Welt wiederzuerleben. Du weißt, wie schwer es gewesen ist, alles aufzugeben und zu beschließen, auf die Suche nach deinem Schwert zu gehen und den Jakobsweg zu beschreiten. Es war schwierig, weil du Gefangener deiner Vergangenheit warst. Du hast eine Schlappe erlebt und fürchtest eine weitere Niederlage. Du hast etwas erreicht und fürchtest, es zu verlieren. Dennoch hat ein starkes Gefühl die Oberhand gewonnen: der Wunsch, dein Schwert wiederzufinden. Und du hast beschlossen, das Risiko einzugehen.«
Ich gab zu bedenken, daß ich mich von den Sorgen, auf die er angespielt hatte, noch nicht befreit hätte.
»Das ist unwichtig. Die Übung wird dich ganz allmählich von den Bürden befreien, die du dir in deinem Leben selbst aufgeladen hast.«
Und dann lehrte mich Petrus die erste Übung der R.A.M.: Das Samenkorn.
»Und nun mach die Übung zum ersten Mal«, sagte er. Ich steckte meinen Kopf zwischen die Knie, atmete tief und begann mich zu entspannen. Mein Körper gehorchte widerspruchslos, vielleicht weil wir den ganzen Tag über gewandert waren und ich nun erschöpft war. Ich lauschte

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